Gemeinsames Konzept von ver.di und attac für eine gerechte und einfache Steuerpolitik
Pressemitteilung attac/ verdi vom 13.Mai 2004 (aus "BSB-News" Nr.1)
Gerechte Steuern – Öffentliche Finanzen stärken
In einer gemeinsamen Pressekonferenz haben die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und das globalisierungskritische Netzwerk Attac ihr Konzept für eine gerechte und einfache Steuerpolitik vorgestellt.
Das von sieben Wirtschaftswissenschaftlern erstellte Konzept sieht vor, kleinere und mittlere Einkommen deutlich zu entlasten: Der Spitzensteuersatz beträgt 45 Prozent. Diese Spitzen-belastung setzt ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000 Euro ein. Der steuerfreie Grundfreibetrag wird auf 8.000 Euro angehoben. Der Eingangssteuersatz beträgt 15 Prozent. Der Tarif steigt zwischen dem Eingang- und Spitzensteuersatz kontinuierlich (linear-progressiv) an. Finanziert wird die Absenkung der Steuersätze durch eine Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und die Einschränkung von steuerlichen Ausnahmetatbeständen. Das bisherige Einkommensteuersystem ermöglicht es vor allem international verflochtenen Unternehmen und Beziehern von hohen Einkommen aus Vermietung und selbstständiger Tätigkeit, sich arm zu rechnen. Sie sollen sich in Zukunft wieder nach ihrer Leistungsfähigkeit an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligen.
Die öffentlichen Finanzen müssen gestärkt werden. Ein moderner und sozialer Staat braucht hinreichende Finanzmittel, um seine Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit erfüllen und eine aktive Politik zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit betreiben zu können. In den letzten Jahren sind die öffentlichen Finanzen aufgrund politisch verursachter Steuerausfälle immer tiefer in die Krise geraten. Läge die Steuerquote – der Anteil der Steuern am Bruttoinlandsprodukt – noch auf dem Stand des Jahres 2000, hätte der Staat jährlich etwa 50 Milliarden Euro höhere Einnahmen. Folge der öffentlichen Finanznot sind immer schwächere Zukunftsinvestitionen von Gemeinden, Ländern und Bund für Bildung und Erziehung, Forschung, Lehre und Weiterbildung, in die öffentliche und ökologische Infrastruktur usw. Von den Ausgabenkürzungen sind sozial Schwächere besonders betroffen. In der Summe ergibt unser Konzept trotz der deutlichen Steuersenkung durch den Tarifverlauf eine maßvolle Erhöhung des Steueraufkommens.
Steuergerechtigkeit muss der zentrale Maßstab für die Verteilung der Steuerlasten sein. Der Anteil der Lohnsteuer an den gesamten Steuereinnahmen ist in den Jahren 1977 bis 2002 von 30 auf 35 Prozent gestiegen, derjenige der Gewinn- und Vermögensteuern hat sich von 29 auf 14 Prozent halbiert. Der Anteil der Mehrwert- und Verbrauchsteuern stieg von 33 auf 44 Prozent. Das Konzept einer solidarischen Einfachsteuer von ver.di und Attac führt dazu, dass Reiche und Superreiche, Bezieher hoher Einkommen und wirtschaftlich stabile Unternehmen wieder einen erheblich höheren Anteil an der Finanzierung öffentlicher Leistungen aufbringen. Erreicht wird dies insbesondere dadurch, dass die diversen steuerlichen Sondertatbestände für Besserverdienende – die Steuerschlupflöcher – beseitigt werden.
Steuervereinfachung und Abbau von Steuervergünstigungen müssen zu mehr Steuergerechtigkeit führen. Sie dürfen kein Vehikel für eine weitere Mehrbelastung der Beschäftigten oder von Beschäftigtengruppen sein. Die Steuererfassung muss vereinfacht und damit transparent gestaltet werden. Die Erstellung der Einkommensteuererklärung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist so weit wie möglich zu vereinfachen. Sie erhalten auf einem stark vereinfachten Formular einen Entwurf für ihre Steuererklärung zugeschickt.
Ein wichtiger Schritt zur steuergerechten Vereinfachung ist die Reduzierung der bisher sieben Einkunftsarten, die teilweise steuerlich völlig unterschiedlich behandelt werden, auf vier Einkunftsarten. Gerade im Bereich der Unternehmensbesteuerung ist das Steuerrecht besonders kompliziert. Das Konzept der „Solidarischen Einfachsteuer“ nimmt daher auch besonders in diesem Bereich Vereinfachungen und die Streichung von Ausnahmetatbeständen vor.
Für mehr Steuergerechtigkeit ist vor allem auch die Wiedereinführung der Vermögensteuer notwendig. Die Erbschaftsteuer muss reformiert und gestärkt werden. Bei der Vermögen- und der Erbschaftsteuer sind ausreichend hohe Freibeträge vorzusehen. Die öffentlichen Finanzen können allein durch diese Reformen um 20 Milliarden Euro gestärkt werden.
Auf kommunaler Ebene fordern die Autoren, die Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiter zu entwickeln. Dadurch wird das Band zwischen den Kommunen und ihren Wirtschaftsunternehmen gestärkt. Die Besteuerungsgrundlage ist der Steuerbilanzgewinn unter Hinzurechnung aller Zinsen aus Dauerschulden sowie des Finanzierungsanteils aller Mieten, Pachten und Leasingraten. Einbezogen werden alle Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit mit einem Freibetrag, der eine unsoziale Belastung von Selbstständigen mit niedrigem Einkommen ausschließt. Damit werden Steuerumgehungsmöglichkeiten verschlossen, und der Steuersatz kann sinken.
Eine Absage wird Plänen erteilt, Kapitaleinkommen niedriger als Arbeitseinkommen zu belasten. Statt dessen soll die Steuerflucht von Unternehmen und vermögenden Privatpersonen durch eine Reihe von Ma&suml;nahmen konsequent bekämpft werden. Von besonderer Bedeutung ist die konsequente Verbesserung der Betriebsprüfungen. Hierfür muss zusätzliches Personal bereitgestellt werden.
Anmerkung: Die Langfassung „Konzept für eine „solidarische Einfachsteuer“ (SES) findet sich u.a. unter http://www.verdi.de/Wirtschaftspolitik