28.3.: Polizeischikanen bei Anfahrt zur Demo in Frankfurt
Empörung über Polizeischikane gegen Gewerkschafter und Schüler . Buskontrolle vor Großdemo in Frankfurt: Polizei versucht Einschüchterung
»Es war, als wären wir unter die Wegelagerer gefallen«
Polizei schikanierte die Insassen von zwei ver.di-Bussen, die auf dem Weg zur Demonstration in Frankfurt/Main waren. Ein Gespräch mit Simon Ernst
Simon Ernst ist Vorstandsmitglied der ver.di-Jugend NRW-Süd
Sie und andere Mitglieder der ver.di-Jugend sind am Samstag auf dem Weg zur Demonstration nach Frankfurt/Main von der Polizei aufgehalten worden. Warum?
Wir wollten von Bonn aus mit zwei Reisebussen zu der Demonstration »Wir zahlen nicht für eure Krise« fahren. Kurz vor dem Demo-Treffpunkt an der Bockenheimer Warte wurden wir in einem Villenviertel von einer Hundertschaft Polizei angehalten – die Beamten waren mit Dienstpistolen und Schlagstöcken bewaffnet und trugen gepanzerte grüne Schutzkleidung sowie Helme.
Warum wurden Sie denn gestoppt?
Es gab überhaupt keinen Anlaß dazu – wir saßen einfach nur im Bus und wollten unser grundgesetzlich verbrieftes Demonstrationsrecht wahrnehmen.
Vielleicht hat sich die Polizei durch rote Fahnen oder Plakate mit umstürzlerischen Parolen provoziert gefühlt?
Fahnen gab es überhaupt nicht. An einem der Busfenster hatten wir von innen ein Plakat mit dem offiziellen Aufruf zur Demonstration angeklebt. Jedenfalls wurden wir angehalten, woraufhin gleich 30 Polizisten die Eingangstür belagerten.
Wie haben die Beamten das Stoppen der Busse begründet?
Einer von ihnen stieg bei uns ein – er hatte es weder nötig, sich vorzustellen noch zu erklären, was diese Aktion bedeuten sollte. Ich bekam nicht einmal eine Antwort, als ich fragte, warum wir kontrolliert werden – statt dessen stürzten sich auf seinen Befehl hin zwei Beamte auf mich und zerrten mich aus dem Bus heraus.
Der »Freund und Helfer« hat sich also gar nicht erst auf eine Erklärung eingelassen, sondern gleich körperliche Gewalt angeordnet?
So war es – er wollte weder seinen Namen nennen, noch offenbaren, wer für diese Aktion verantwortlich ist. Später erfuhren wir, daß er Lauke heißt und Hauptkommissar ist.
Das klingt nicht gerade nach rechtsstaatlichem Vorgehen.
Nach meinem Verständnis und dem meiner Kollegen war das ein offener Rechtsbruch.
Wurden die Busse dann durchsucht?
»Durchsucht« ist zu harmlos – sie wurden komplett durchwühlt, nachdem wir alle aussteigen mußten. Die Polizisten filzten alle Rucksäcke und Jacken, viele unserer Teilnehmer mußten die Hosentaschen ausleeren. Bei mir wurde als besondere Schikane eine Leibesvisitation durchgeführt.
Wonach haben die Beamten gesucht?
Keine Ahnung. Sie haben auch nichts Relevantes gefunden, es wurde lediglich ein Taschenmesser Schweizer Machart beschlagnahmt.
Gab es dafür wenigstens eine Quittung?
Nichts dergleichen. Sie haben das Messer eingesteckt und mitgenommen.
Das klingt eher nach Straßenraub. Mindestens aber nach Unterschlagung.
Genauso wirkte das auf uns – als seien wir unter die Wegelagerer gefallen. Am schlimmsten war für uns das Gefühl, wie Kriminelle behandelt zu werden.
Wie lange wurden Sie aufgehalten?
Der Überfall dauerte etwa eine Stunde, so daß wir auch viel zu spät zur Demonstration eintrafen. Die meiste Zeit über mußten wir ohne Jacken draußen im Regen stehen. Währenddessen wurden wir von drei oder vier Kameras gefilmt, die man uns fast ins Gesicht hielt.
Wie wollen Sie darauf jetzt reagieren?
Wir haben erst einmal von ver.di rechtliche Beratung eingefordert. Bei unserer nächsten Vorstandssitzung beschließen wir, wie wir juristisch gegen diese Unverschämtheiten vorgehen.
Haben Sie eine Theorie, warum die Polizei so handelt, wie man es eher in faschistischen Diktaturen erwartet?
Uns fiel auf, daß vor allem Busse kontrolliert wurden, in denen junge Leute saßen. Viele von denen – auch in unseren Fahrzeugen – waren zum ersten Mal auf einer Demonstration. Es ging der Polizei wohl darum, sie ein für alle mal einzuschüchtern. Das ist wohl daneben gegangen – eingeschüchtert war wohl keiner, entsetzt aber waren alle. Dieser Überfall hat uns eher zusammengeschmiedet und allen ein realistisches Bild vermittelt, was von dieser Polizei zu erwarten ist. Es wäre nicht das erste Mal, daß Demonstrationsteilnehmer erst durch Polizeiknüppel nachhaltig politisiert werden.
Quelle: Junge Welt vom 1.04.09
Presseerklärung der ver.di-Jugend NRW-Süd
Am Samstag, den 28. März fand in Frankfurt/M. eine Demonstration unter dem Slogan „Wir zahlen nicht für eure Krise“ statt, die sich gegen die Regierungspolitik der Abwälzung der Folgen der Weltwirtschaftskrise auf die Werktätigen, Arbeitslosen, Jugendlichen und Rentner wandte. 25.000 Menschen nahmen an der Demonstration teil. Die ver.di-Jugend NRW-Süd hatte zusammen mit anderen Organisationen in Bonn zu der Teilnahme an der Demo aufgerufen und mobilisiert.
Zwei randvolle Reisebusse fuhren um 9:30 Uhr vom Bonner DGB-Haus nach Frankfurt zur Großdemo. Einer der Busse wurde kurz vor Erreichen des Treffpunkts Bockenheimer Warte gegen 11:45 Uhr von martialisch ausgerüsteten, gepanzerten Polizisten angehalten.
Mit körperlicher Gewalt wurde ein Mitglied der Geschäftsführung des Bezirksjugendvorstands der Gewerkschaft ver.di ohne Anlass und Angabe von Gründen aus dem Bus gezerrt. Die einzige „Begründung“ der ganzen Aktion lautete „Gefahrenabwehr“.
Simon Ernst, Mitglied im Jugendvorstand NRW-Süd, sagt dazu: „Den Namen des Verantwortlichen nannte man uns, trotz wiederholter Nachfrage und Berufung auf unsere Rechte, zunächst nicht.“
Die Insassen – überwiegend Gewerkschafter und Schüler – wurden aus dem Bus befördert, ihre Taschen durchwühlt und Personalien aufgenommen. Außerdem wurde eins der Demo-Flugblätter der ver.di-Jugend beschlagnahmt.
Dazu Simon Ernst: „Erst nach längerer Zeit gestand man uns überhaupt das Recht zu, unsere Regenjacken aus dem Bus zu bekommen, so dass die meisten von uns im Regen durchnässt wurden. Die Polizei filmte uns dabei ständig mit mehreren großen Kameras mitten ins Gesicht. Man wollte uns offenbar den Eindruck geben, wir seien Kriminelle.“
„Das war offener Rechtsbruch und ein Einschüchterungsversuch besonders gegen uns junge Demonstranten. Viele aus unserer Gruppe waren zum ersten Mal auf einer Demo. Wir werden rechtliche Schritte prüfen. Besonders beunruhigend ist die Aussage von Hauptkommissar Lauke, diese Aktion sei völlige Routine. Wir als Gewerkschaftsjugend werden uns entschieden dagegen zur Wehr setzen, dass so etwas zur üblichen Praxis wird.“ bewertet Simon Ernst den Polizeieinsatz.