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Versuche der Neo-Nazis, sich an den Montagsaktionen zu beteiligen / Meinungen und Diskussion zur Parole "Wir sind das Volk" u.a.

In mehreren Städten versuchen Neo-Nazis und Rechtsradikale auf der Montagsdemobewegung mitzuschwimmen und ihr rassistisches, faschistisches Süppchen zu kochen. In diesem Zusammenhang wird um Parolen der sozialen Bewegung ("Wir sind das Volk!" u.a.) teils heftig diskutiert.

-->  Berliner Aufruf gegen die Beteiligung von Neonazis an den Protesten gegen Hartz IV


Polizei hilft Neonazis bei Montagsdemo

tagesspiegel v. 25.08.2004

Magdeburg/Berlin – Die Magdeburger Polizei gerät nach der jüngsten Montagsdemonstration in die Kritik. Einer Gruppe von 30 bis 40 Neonazis gelang es nach Berichten von Augenzeugen mit Hilfe uniformierter Beamter, an dem Protestmarsch gegen Hartz IV in der Magdeburger Innenstadt teilzunehmen. Junge Linke hatten zunächst mit einer friedlichen Straßenblockade am Ende der Demonstration die Rechtsextremisten aufgehalten. Daraufhin begleiteten Polizisten im Laufmarsch die Neonazis durch eine Seitenstraße zum vorderen Teil des Aufzuges. Dort konnten sich die Rechtsextremisten 200 Meter hinter der Spitze der Demonstration einreihen, ihr Transparent zeigen und Parolen rufen. An dem Aufzug nahmen 8000 Menschen teil.

„Die Polizei hat versagt“, sagte der Vorsitzende der PDS-Fraktion im Magdeburger Stadtrat, Hans-Werner Brüning, am Dienstag dem Tagesspiegel. Brüning war Augenzeuge des Einsatzes der Beamten. Von einem „skandalösen Verhalten“ der Polizei sprach Roman Ronneberg, Geschäftsführer des Vereins „Miteinander“, der sich in Sachsen-Anhalt gegen Rechtsextremismus engagiert.
Auch Ronneberg hatte den Vorfall beobachtet. Er habe auch gesehen, dass aus dem Block der „Kameradschaft Festungsstadt“ Demonstranten und Polizisten gefilmt wurden, sagte Ronneberg.

Die Polizei bestätigte, den Neonazis zur Teilnahme an der Demonstration verholfen zu haben. „Es gibt kein Recht, jemanden von einer öffentlichen Versammlung auszuschließen, wenn er sich friedlich verhält oder den Sinn der Versammlung nicht entstellt“, sagte der Einsatzleiter, Polizeidirektor Frank Rim, dem Tagesspiegel. Rim verwies auf Absprachen mit dem Versammlungsleiter. Dieser habe während der Demonstration entschieden, „dass ein Mitlaufen der Rechten im Zug möglich ist“.
Frank Jansen


Eine Nachricht aus Dresden vom 25.08.04

Betrifft Montagsdemos in Dresden.

... Des Weiteren hatten wir heute ein Gespräch mit der Polizei und dem Ordnungsamt. Paragraf 1 des Gesetz über Versammlungen und Aufzüge verbietet es uns, die Nationalisten von der Demo entfernen zu lassen.

ZITAT:
VersammlG § 1 (1) Jedermann hat das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen.
ZITAT ENDE

Es zählt also leider zur Auflage für uns, diese Spacken teilnehmen zu lassen. Nach §25 obigen Gesetzes kann es für die Versammlungsleiter sogar mit bis zu 6 Monaten Haft enden, wenn sie eigenmächtig die Auflagen überschreiten. Das bedeutet auch, das unserer Ordner nicht dagegen vorgehen können. Wenn es Erfahrungen aus anderen Städten gibt, teilt sie uns bitte mit.

Kurz: Und sind die Hände gebunden. ...
Das die Nationalisten absolut nicht mit den Grundsätzen unseres Bündnisses vereinbar sind, interessiert leider niemanden. Das also nennt sich Meinungsfreiheit.
Trotzdem betone ich an dieser Stelle noch mal: Das Bündnis gegen Sozialkahlschlag Dresden arbeitet nicht mit nationalistischen, fremdenfeindlichen Gruppierungen zusammen und distanziert sich ausdrücklich von diesen! ...

Mit kämpferischen Grüßen

Daniel Weigelt Mitstreiter im http://www.buendnis-gegen-sozialkahlschlag-dresden.de/


Stellungnahme aus Dortmund vom 25.08.04

... Es ist nun sicherlich nicht zu verhindern, dass DemostrationsteilnehmerInnen über das offene Mikrofon Dinge äußern wie: "Wir stehen hier als deutsche Arbeiter..." (wie z.B. ebenfalls am Montag). Es wäre trotzdem vielleicht der Mühe wert, sich zu überlegen, inwiefern (soweit ich mitbekommen habe, auch von einer ganzen Reihe von TeilnehmerInnen eher als abschreckend empfundene) Sätze wie: "Wir sind das Volk" nicht einer entsprechenden "Volksgemeinschafts"-Vorstellung Vorschub leisten. Wir sollten auf jeden Fall feststellen, dass die Nazis die Demonstrationen weiter beobachten und anscheinend auf eine Chance warten... und überlegen, dass die Möglichkeit von vorherein ausgeschlossen werden muss.


Stellungnahme der Antifaschistische Aktion Gera [AAG] vom 24.08.04 zu rassistischen Reden und Naziparolen auf der Montagsdemo in Gera

Volkstaumel in Gera
Rassistische Reden und Naziparolen auf Montagsdemo in Gera

Erneut nahmen gestern 30 Nazis mit zwei Transparenten an der Montagsdemonstration in Gera teil. Nach den Erfahrungen der letzten Woche, als sich die MontagsdemonstrantInnen offenkundig mit den Nazis solidarisierten und gegen AntifaschistInnen vorgingen, unternahm die Demoleitung nicht einmal mehr den Versuch, die Nazis von der Demo auszuschließen. Um sich dennoch von den Rechten zu distanzieren, wurden die Nazis gebeten, sich im hinteren Teil der Demonstration einzureihen. Die Veranstaltungseröffnung durch die Initiative für soziale Gerechtigkeit Gera ließ die Distanzierung jedoch zu einem Lippenbekenntnis werden. "Ich begrüße alle, ausdrücklich alle", ließ die Initiative zu Beginn der Veranstaltung verlauten und bezog sich damit offenkundig auf den in der Vorwoche misslungenen Versuch von AntifaschistInnen, die Nazis aus der Demo zu drängen.

Als sich zwei Redner bei der Abschlusskundgebung offen ihrer rassistischen Gesinnung hingaben und die DemonstrantInnen bei Sätzen wie "die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg" oder "wir wollen keine Ausländer hier" auch noch frenetisch applaudierten, wurde endgültig klar, wessen Geistes Kind ein Großteil der MontagsdemonstrantInnen in Gera sind.

Schlimm genug, dass sich Nazis erneut bei der Montagsdemo einreihen konnten. Doch hierbei geht es nicht nur um die Toleranz der DemonstrantInnen gegenüber den Faschisten. Offensichtlich findet sich kein Widerspruch zwischen den Forderungen der Nazis und dem völkischen Gebaren der MontagsdemonstrantInnen. Die rassistische Hetze beim offenen Mikrofon und die ersten "Ausländer raus"- Parolen überhaupt auf einer Montagsdemonstration belegen den rassistischen Konsens in Ostthüringen. Auch der alltägliche Naziterror in Gera findet hier mittlerweile seine ideologische Entsprechung. Die lokale Presse OTZ/TLZ hielten es erneut nicht für nötig, die skandalösen Vorfälle auf der Montagsdemonstration in ihrer Berichterstattung zu thematisieren.

Nachdem einige AntifaschistInnen am Rande der Veranstaltung ihre Meinung kundtaten, versuchte die Polizei diese aufzufinden und zu kontrollieren. Damit macht die rechte Polizei Geras ihrem Ruf alle Ehre. Anstatt die rassistischen Parolen der MontagsdemonstrantInnen zu ahnden, setzt sie erneut auf die Schikanierung des antifaschistischen Protestes.

no historical backspin

"Wer nach dem Volk ruft, muss sich nicht wundern, wenn es völkisch zurück ruft" lautete jüngst ein Kommentar in einem sozialkritischen Internetforum. Und tatsächlich redete die Initiative für soziale Gerechtigkeit in ihrem Aufruf den Nazis nach dem Mund. Den positiven Bezug auf ein "selbstbewusstes Volk" oder das "erarbeitete Volksvermögen" wird auch von der NPD nicht anders formuliert. Auch die geschichtsträchtige Parole "Wir sind das Volk" ist dabei keine Ausnahme. Sie führt zur Ausgrenzung von MigrantInnen und allen, die sich nicht als "Volksdeutsche" definieren lassen. Wer sich hiermit auf den deutschen Taumel der Wiedervereinigung beziehen will, kann dies nicht gelöst von den rassistischen Angriffen der 80er und 90er Jahre in der DDR und den pogromartigen Überfällen auf AsylbewerberInnenheime nach der Wiedervereinigung sehen. Wenn die Montagsdemos als Tradition aufgegriffen werden, so dürfen die deutschen Pogrome nicht seperat betrachtet werden. Ein unkritischer Umgang mit dem neuen 'Wir-Gefühl' der Deutschen, ob bei Montagsdemos oder Kriegseinsätzen, endet unweigerlich in volksgemeinschaftlicher Reaktion.

Von daher ist eine antifaschistische Basis absolute Voraussetzung für jegliche Kritik jenseits des Nationalismus und Antisemitismus. Ohne einen antirassistischen Grundkonsens lässt sich die Montagsdemonstration in dieser Form nicht mehr von einem Naziaufmarsch unterscheiden. Was wir jetzt brauchen ist eine antifaschistische Dialektik, die völkische Argumentationen entlarvt und den neuen sozialen Bewegungen eine vernünftige Perspektive jenseits von Standortlogik, Arbeitswahn und Kapitalismus offenbart.



Stellungnahme aus Bochum vom 20.08.04:

... die nazis sind aber nur ein nebenkriegsschauplatz. genauso wie die diskussion um die parole "wir sind das volk". die interpretation dieser parole als "völkisch" oder rechtsnationalistisch motiviert, ist eine affirmation des begriffes "völkisch". dieser begriff ist allerdings ein unwort alldeutscher kreise (und später der nazis) und fungierte seit 1875 als irreführende übersetzung und interpretation des begriffes "national".
hier muss scharf getrennt werden zwischen den begriffen "völkisch" und "volk". wenn 1989 die teilnehmer der montagsdemos in der ddr die parole "wir sind das volk" skandierten, dann haben sie das im politischen zusammenhang der verhältnisse der ddr und dem dortigen gebrauch des wortes "volk" getan.
"wir sind das volk" konnte sich nur kritisch auf den anspruch der sed beziehen die volksververtretung eines sozialistischen arbeiter-und bauernstaates zu sein. ...

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