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Sozialticket irritiert die Landkreise

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Potsdam (MOZ) SPD und CDU haben sich darauf verständigt, zum 1. September ein Sozialticket für Hartz-IV-Empfänger einzuführen. Bei der Umsetzung stehen die Kreise vor unerwarteten Problemen.

Für SPD-Generalsekretär Klaus Ness ist eine segensreiche Erfindung, die seine Partei gegen den Koalitionspartner durchgesetzt hat. Ab September könnten Arbeitslose, Sozialschwache oder Geringverdiener zum halben Preis Monatstickets für einen, zwei oder drei Kreise erstehen. Die Ermäßigung gilt außerdem für benachbarte Tarifgebiete des Verkehrsverbundes, sogenannte Waben (Monatskarten für zwei, vier oder sechs Waben können erstanden werden).

Ness zielt vor allem auf die Geringverdiener ab, die 400-EuroJobs, die von Sozialleistungen ergänzt werden. Die Mobilität dieser Personen solle unterstützt werden. 59 000 davon gibt es im Land. Letztlich anspruchsberechtigt für das Sozialticket aber wären 360 000 bis 400 000 Brandenburger.

"Wir haben keine Ahnung, was tatsächlich auf uns zukommt", sagt Jutta Schlüter vom Landkreistag. Denn letztlich sind es die Kreise und kreisfreien Städte, die die Berechtigungskarten für Sozialtickets ausstellen sollen. Der Landkreistag hatte sich gewünscht, dass die Leistungsbezieher mit ihren sonstigen Papieren eine Berechtigungsschein erhalten und damit zum Verkehrsverbund gehen, um die Monatskarte zu kaufen. Das ist dem Verkehrsverbund zu viel Aufwand. Er müsste an den Schaltern die Echtheit der Papiere und den Personalausweis prüfen. Deshalb soll es eine Berechtigungskarte mit Namen und Passfoto geben, die die Sozialbehörden der Kreise auszustellen haben. Würde nur die Hälfte der Berechtigten solche Tickets beziehen, so Schlüter, müsste zusätzliches Personal eingestellt werden. Und natürlich müsste das Land dafür aufkommen, fordert der Landkreistag.

Völlig ungeklärt ist noch, wie Missbrauch verhindert werden soll. Bekommte ein Arbeitsloser einen Job, müsste er den Berechtigungsschein abgeben - unaufgefordert.

Auf einer Beratung der Kreise mit dem Sozialministerium kamen aber noch weitere Ungereimtheiten zu Tage. SPD und CDU hatten auch davon gesprochen, dass Kinder, die ihre Eltern pflegen, das Sozialticket nutzen können. Der Landkreistag verweist darauf, dass mit dieser Formulierung niemand etwas anfangen kann. "Was ist mit Eltern, die ihre Kinder pflegen?", fragt Schlüter. Außerdem ist der Pflegebegriff nicht definiert. Kompliziert wird es aber vor allem dadurch, dass keine Behörde pflegende Personen erfasst. Für Verwirrung sorgte auch die Formulierung, dass chronisch Kranke das Mobilitätsticket nutzen können. Diese sind von den Krankenkassen erfasst, die dann die Berechtigungskarte ausstellen müsste.

Der Landkreistag erklärt angesichts der offenen Fragen, dass das ganze Sozialpaket unausgegoren und der Termin September kaum zu halten sei. Das Sozialministerium lehnt jegliche Stellungnahme ab und verweist auf das Verkehrsministerium. Dort wird erklärt, man sei nur für die Verhandlungen mit dem VBB zuständig, nicht für Berechtigungsscheine.

SPD-Generalsekretär Klaus Ness versteht die ganze Aufregung nicht. Man habe in der Vereinbarung gar nicht alle chronisch Kranken oder alle pflegenden Kinder gemeint, sondern nur diejenigen, die Hartz IV beziehen. Und die seien ohnehin berechtigt, ein Sozial- oder Mobilitätsticket zu erstehen.

Die Beispiele seien nur in das Papier gekommen, weil man damit versucht habe der CDU zu verdeutlichen, warum Hartz-IV-Empfänger überhaupt ein Interesse an Mobilität haben könnten, so Ness. Die Sozialdemokraten sind überzeugt, dass nur ein kleiner Teil der Berechtigten von der Möglichkeit Gebrauch machen wird

Quelle: Märkische Oderzeitung vom 28. März 2008

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