Benutzerspezifische Werkzeuge
Sie sind hier: Startseite Sozialer Widerstand Berichte aus anderen Orten Repression gegen Anti-Nazimobilisierung

Repression gegen Anti-Nazimobilisierung

Nach wochenlangen Diffamierungskampagnen in den Medien erreichte heute (19.01.10) die Kriminalisierung von antifaschistischem Widerstand anlässlich des 13. Februars in Dresden ihren vorläufigen Höhepunkt. Am frühen Nachmittag wurden mehrere Objekte in Dresden und Berlin von der Polizei durchsucht.

Hintergrund der Durchsuchungen ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Blockadeaufruf des breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses “Dresden nazifrei”, welches sich die Verhinderung des größten Naziaufmarsches in Europa mit Massenblockaden zum Ziel gesetzt hat. Grund der Durchsuchungen ist ein vermeintlicher Aufruf zu Straftaten.

Unterstützer des Aufrufs: “Nazifrei! Dresden stellt sich quer” sind neben Musikern, wie Bela B. (Die Ärzte), Konstantin Wecker und zahlreichen Bundestagsabgeordneten der Parteien Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen auch Landtagsabgeordnete der SPD, der Oberbürgermeister von Jena, Gewerkschaftssekretäre und Pfarrer.

In Berlin wurde der Laden des Antifa-Versandes Red Stuff Ziel der Aktion. Beamte des Berliner und sächsischen Landeskriminalamtes durchsuchten in den Nachmittagstunden den Laden in Kreuzberg und beschlagnahmten Kisten mit Aufrufen und Plakaten. Meldungen, wonach in Dresden das örtliche alternative Zentrum Conni durchsucht worden sein soll, können nicht bestätigt werden. Katja Kipping, Bundestagsabgeordnete der LINKEN, kritisierte in einer ersten Stellungnahme die Durchsuchungen als Triumph für die Naziszene und forderte die Dresdner Staatsanwaltschaft auf, “die Kriminalisierung bürgerschaftlichen Engagements sofort einzustellen”. Sie reagierte damit auf die Beschlagnahmungen von Mobilisierungsmaterial und Computern in der Landesgeschäftsstelle der LINKEN in Dresden.

Für Grünen Politikers Hans-Christian Ströbele sind die Durchsuchungen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren. Er forderte die Polizei auf, die beschlagnahmten Computer und Plakate wieder herauszugeben. Unterdessen stellte der zuständige Dresdner Oberstaatsanwalt Christian Avenarius in einer Presseerklärung klar, dass der zivilgesellschaftliche Bündnisaufruf eine Straftat darstellt, weil nach Angaben der Dresdner Staatsanwaltschaft damit eine bereits genehmigte Demonstration von Nazis aus ganz Europa mit Blockaden behindert werden soll.

Seit mehreren Jahren schon marschieren tausende Nazis aus ganz Europa mit revisionistischen Plakaten durch die Dresdner Innenstadt. Gegenstand von Durchsuchungen wie im aktuellen Fall, waren die jahrelangen Vergleiche des alliierten Luftangriffs auf die Stadt im Februar 1945 mit dem Massenmord an den europäischen Juden durch die Nazis jedoch nie.

Inzwischen mobilisiert die Antifaschistische Linke in Berlin aus gegebenen Anlass zu einer Anti-Repressions-Demo heute Abend um 20 Uhr auf den Heinrichplatz in Berlin-Kreuzberg. Auch in Leipzig soll mit einer Spontandemonstration um 21 Uhr am Südplatz auf die staatlichen Einschüchterungsversuche gegen notwendiges zivilgesellschaftliches Engagement aufmerksam gemacht werden.

Begründet werden die Durchsuchungen mit §111 des StGB, der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten und wird in der letzten Zeit häufig im Zusammenhang mit §21 des Versammlungsgesetzes angewendet. Wer versucht, eine Versammlung zu verhindern oder grobe Störungen verursacht, kann dem Gesetz nach mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. Aus diesem Grund versucht die Dresdner Staatsanwaltschaft den Urheber des Aufrufs und der Plakate zu ermitteln. Die Polizei kündigte während der Durchsuchungen weitere Maßnahmen an.

Bereits vor knapp neun Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen in einer Entscheidung Sitzblockaden für zulässig erklärt.

Quelle: alternative dresden news vom 19.01.10
http://www.addn.me/news/repression-gegen-anti-nazimobilisierung/

 

Bundestagsabgeordnete wegen Dresden-Poster festgenommen

Die Bundestagsabgeordnete Dorotheé Menzner (Linke) wurde am Mittwochabend in Berlin von der Polizei kurzzeitig festgenommen, weil sie mit mehreren Jugendlichen Plakate für die Proteste gegen den Naziaufmarsch in Dresden plakatiert hatte. Die vier Jugendlichen wurden zur Personalienfeststellung auf die Polizeiwache gebracht. Zwei von ihnen wurden den Angaben zufolge mit Handschellen aneinandergefesselt. Ihnen und Menzner wird ein Aufruf zu Straftaten vorgeworfen.

Aufgerufen hatte zu der öffentlichen Plakatieraktion der Studentenverband der Linken SDS. “Demonstrativ” sollten die verbotenen Plakate des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ in Berlin verklebt werden. Die Plaktiergruppen wurden von den Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion Karin Binder, Heidrun Dietrich, Nicole Gohlke und Dorotheé Menzner begleitet.

SDS-Bundesgeschäftsführer Florian Wilde zeigte sich empört über die Festnahme: „Wir verurteilen aufs Schärfste die fortgesetzte Kriminalisierung antifaschistischer Aktivitäten. Es ist ein Unding, dass die Polizei jetzt anfängt, Minderjährige in Handschellen abzuführen, weil sie Plakate verkleben, die zu Blockaden des Naziaufmarsches aufrufen.”

Weder der Aufruf, noch die Durchführung von gewaltfreien Sitzblockaden sei strafbar. Wilde sieht den von mehr als 800 Personen unterschriebenen Aufruf als vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt. Ebenso genieße die Durchführung von Sitzblockaden den Schutz der Versammlungsfreiheit.  “Wir werden uns aber weder von der Polizei, noch von der Staatsanwaltschaft davon abhalten lassen, weiter die verbotenen Plakate zu verkleben, zu Blockaden aufzurufen und alles daran zu setzen, den Naziaufmarsch am 13. Februar mit allen Mitteln des zivilen Ungehorsams zu verhindern.”

Am Dienstag wurden in Dresden und Berlin verschiedene Objekte von der Polizei durchsucht und dabei tausende Plakate des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ beschlagnahmt.

Quelle: Störungsmelder vom 21.01.10

http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2010/01/21/bundestagsabgeordnete-wegen-dresden-poster-festgenommen_2419

 

Medienhetze in Dresden geht weiter

"How to become a serious journalist?" Diese wahrscheinlich erste Frage an einen zukünftigen Journalisten ist vielleicht nicht gerade der beste Satz, um die schreibende Zunft in Dresden treffend zu beschreiben. Statt kritischem Journalismus wiederholen autoritätshörige Straßenreporter gebetsmühlenartig die Sachen, die sie von der Polizei und den Verantwortlichen der Stadt tagtäglich zu hören bekommen. Der kritische und liberale Geist von frischen und jungen Medien, scheint leider inzwischen oft nur noch im Internet präsent zu sein. Eine kleine Kostprobe zu den medialen Ergüssen Dresdner Journalisten soll dieser Artikel liefern. Viel Spaß dabei!

Nach den Zeitungsartikeln der vergangenen Wochen, die in Dresdens Medienlandschaft mehr oder weniger in offener Kritik am zivilgesellschaftlichen Engagement abseits des Standpunktes der CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz endeten, geht die mediale Diffamierung munter weiter, SZ-Autor Denni Klein zeigt, dass der Name manchmal doch Programm sein kann und schwadroniert wie toll es wäre, mehr als 6.000 Nazis unbeachtet marschieren zu lassen und zeigt wie wenig er von der Bedeutung dieses Großereignisses für die europäische Naziszene begriffen hat. "Auch die gewaltbereiten Antifaschisten" könnten seiner Meinung nach mit einer "starren Kundgebung" "besser kontrolliert und Ausschreitungen verhindert werden". Im vergangenen Jahr hatten vermummte Polizeieinheiten die genehmigte Demonstration angegriffen und dabei mehrere Menschen zum Teil schwer verletzt. Konsequenzen wurden aus den brutalen Übergriffe bis heute nicht gezogen.

Stattdessen plant Sachsens neue schwarz-gelbe Regierung nach der erfolgreichen Verabschiedung des schärfsten Versammlungsgesetzes in Deutschland eine Initiative, um in Zukunft Übergriffe auf Polizeibeamte härter zu bestrafen. Gleichzeitig lehnt die sächsische CDU die Forderung der Grünen nach Namensschildern für Beamte kategorisch ab und ist der Meinung, dass im Alltag die "bürgernahe Transparenz immer gewährleistet" ist, denn Polizeibeamte würden sich auf Nachfrage ausweisen. Eine Aussage, die nur Menschen treffen können, die noch nie die Möglichkeit wahrgenommen haben, an einer Demonstration teilzunehmen.

Derweil legt die BILD dar, wie der "Schlachtplan der linken Chaoten" aussieht. Die farblich mit roten Pfeilen markierten "Linksextremen" wollen die blau gezeichnete Polizei und die in der Zeichnung leider vergessene Demonstration der Nazis einkesseln. Wer nicht bereit ist zu lesen, dem wird spätestens beim Anblick dieser Zeichnung bewußt, wie gefährlich es am 13. Februar werden kann. Und da die Nazis sowieso in der aktuellen politischen aber auch medialen Auseinandersetzung keine Rolle spielen, werden sie auch gleich weggelassen.

In einem anderen Artikel der "Dresdner Neuesten Nachrichten" fiel dem sächsischen Landesbischof Jochen Bohl im Zusammenhang mit dem alljährlichen Nazigroßaufmarsch nichts anderes ein, als vor einem "Erstarken des Linksextremismus" zu warnen. Bohl spricht damit das an, was in Sachsen spätestens mit dem neuen Versammlungsgesetz Normalität geworden ist. Eine Gleichsetzung von DDR-Diktatur mit dem Nationalsozialismus oder wie es der Chef der sächsischen Staatskanzlei, Johannes Beermann, in einer bei Youtube aufgetauchten Rede auf den Punkt gebracht hat, der NPD oder der Linken bzw. PDS, so sicher war er sich dann doch nicht. Das mantraartige Gedenken vor der Frauenkirche, so Bohl weiter, richtet sich gegen ideologische Vereinnahmung und Geschichtsfälschung.

Seit Jahren schon versuchen vor allem konservative Politiker die 2005 wieder errichtete Dresdner Frauenkirche als nationales "Symbol für Krieg und dessen Überwindung" ideologisch aufzuladen, während nicht einmal fünf Kilometer entfernt im sächsischen Landtag die gleichen Politiker 20 Jahre nach der Wiedervereinigung das Versammlungsrecht defacto abschaffen und alte und neue Nazis über Asylbetrüger hetzen und in Schweigeminuten an die Opfer des vom zweiten Weltkrieg losgelösten "Dresdner Bombenholocausts" erinnern.

Mit einer Menschenkette und weißen Rosen als Zeichen der "Versöhnung" sollen bis zu 100.000 (O-Ton Klein) Bürgerinnen und Bürger der Stadt am 13. Februar die wieder aufgebaute Altstadt vor der politischen Instrumentalisierung "von Außen" schützen. Flankiert wird die Aktion wie im vergangenen Jahr durch Statements von mehr oder weniger Prominenten in der Sächsischen Zeitung. Den Anfang der Serie machte in diesem Jahr Dresdens Ex-Bürgermeister Herbert Wagner (CDU) der, ihr ahnt es vielleicht schon, vor Extremismus warnt.
Was die Weiße Rose, das Symbol einer Widerstandsgruppe um die von den Nationalsozialisten hingerichteten Studentengeschwister Scholl, mit der Bombardierung Dresdens zu tun hat, bleibt genauso ein Geheimnis, wie der Wunsch nach Versöhnung. Beides, entschlossener Widerstand gegen Nazis und Versöhnung mit den eigentlichen Opfern nationalsozialistischer Barbarei, haben nichts mit dem tödlichen und rassistischen Alltag im Dresden der Neuzeit zu tun.

Erst vor einem halben Jahr wurde die 31jährige zum Tatzeitpunkt schwangere Marwa El-Sherbini in einem Dresdner Gerichtssaal Opfer rassistischer Gewalt. Der zu spät gekommene Beamte schoss daraufhin nicht den Mörder, sondern den Ehemann der Ermordeten nieder. Er wurde Anfang des Jahres vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Nicht einmal eine Woche später wurden nach mehr als zwei Jahren Prozessdauer zwei Hooligans vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen. Im Verfahren wurde bekannt, dass eingesetzte Beamte am Tatabend den späteren Opfern, zwei sudanesischen Studenten, offenbar nicht helfen wollten.

Das alles sind nicht nur Gründe, um am zweiten Februarwochenende den größten Naziaufmarsch in Europa zu verhindern, sondern auch um Kritik am rassistischen Normalzustand in der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu üben.
Einzigartig ist nicht die Bombardierung, sondern die Erinnerungskultur in Dresden die an keinem anderen Tag so deutlich macht, wer die eigentlichen Opfer des zweiten Weltkriegs sind, die Deutschen und ihre von den alliierten Siegermächten zerstörten Innenstädte. Spätestens an dem Punkt verschwinden die inhaltlichen Differenzen zwischen tausenden still vor der Frauenkirche trauernden Menschen und dem, was währenddessen zur Versöhnung auf Dresdens Straßen aufmarschiert.

Quelle: indymedia vom 22.01.10
http://de.indymedia.org/2010/01/271465.shtml

Artikelaktionen