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Polizei sprengt Studentenparty

Bochum: "Gute-Laune"-Auftritt in der City mit Nikolausmützen, Luftballons und Musik aus dem Kinderwagen eskaliert zum handfesten Tumult: Schubsen, fesseln, Pfefferspray, Verletzungen, Festnahmen. Was als "Gute-Laune-Party" von Studierenden in der Innenstadt begann, endete am Donnerstag durch einen Polizeieinsatz übel: Mit Handfesseln, körperlicher Gewalt und Pfefferspray waren die Beamten, wie Fotos belegen, gegen die teils mit Nikolausmützen kostümierten Studis vorgegangen und hatten drei von ihnen festgenommen. Am Tag danach spricht der AstA der Ruhr-Universität von einem "brutalen Polizeiangriff auf feiernde Studenten."

Auf verschiedenen Internetseiten war auf die bunte Party hingewiesen worden. So trafen sich einige Dutzend Studierende vor dem Hauptbahnhof, ein Kinderwagen war mit Luftballons geschmückt, einige hatten karnevalsähnliche Masken mit dem Antlitz des Rektors dabei.. Aus einem Ghettoblaster erklang Musik. So mischte man sich unter die Besucher des Weihnachtsmarktes. Einige verteilten Flyer, die auf eine Aktion für bessere Bildung hinwiesen.

Doch die Party war nach Einschätzung der Polizei eine nicht genehmigte Demonstration. So blieben sie den Studenten, die durch die City spazierten, auf den Fersen. Als auf dem Husemannplatz laut Rolf van Raden, 2004 noch AStA-Vorsitzender der Ruhr-Uni, ein "harmloser Silvesterknaller vom Büdchen" losging, hätten die Beamten zugegriffen, dem Werfer "die Arme verdreht, in den Würgegriff genommen, ihn zu Boden geworfen". Er wurde festgenommen.

Im Gedränge setzten Beamte Pfefferspray ein, nahmen einen weiteren Studenten fest, laut Zeugen, um seine Personalien festzustellen. Eine Studentin, aus deren Plastikwasserflasche ein Zivilpolizist Spritzer auf die Haare abbekam, so van Raden, wurde von Zivilbeamten bis in einen Shop an der Kortumstraße verfolgt: Das werde von der Polizei als Flaschenwurf dargestellt, "als tätlicher Angriff mit einer PET-Wasserflasche."

Die Studentin: "Es kam eine Frau auf mich zu. Für mich war nicht erkennbar, dass sie eine Polizistin war. Sie war in Zivil. Ich wurde in ein Warenträgerregal gestoßen. Erst als ich gefesselt wurde, war mir klar, dass das Polizisten waren." Sie sei am Bein verletzt, habe ihr Handy verloren.

Im Präsidium habe sie sich Sprüche anhören müssen. "Beim Betrachten meines Personalausweises sagte einer: ,Ach, Sie waren ja mal richtig hübsch´ und ,Sowas von ner kleinen Süßen, mit Brille und lustig gefärbten Haaren.´" In der Zelle sei zwar eine Toilette gewesen, aber videoüberwacht. Die Studentin: "Die gucken einem beim Pinkeln zu."

Nach Polizeidarstellung wurden "pyrotechnische Gegenstände" abgebrannt, Leute mit Masken seien vor Autos gesprungen, um diese zu stoppen. Ein "erkannter Täter" habe bei der Festnahme Widerstand geleistet. Polizisten hätten mit Pfefferspray zwei Kollegen verletzt, eine Gruppe habe für Tumult in einem Geschäft gesorgt. Alle drei Festgenommenen wurden Stunden später entlassen, zwei nach erkennungsdienstlicher Behandlung. Der Dritte sei von einem Polizeibeamten entlastet worden, heißt es. Das Präsidium sei am Abend, als Studenten die Freilassung ihrer Kommilitonen forderten, mit Kreide beschmiert worden.

KOMMENTAR

Nach bisheriger Darstellung war der Polizei, als sie am Donnerstag gegen die "Studentenparty" in der Innenstadt zu Felde zog, die Sache offenbar aus dem Ruder gelaufen.

Das fing schon damit an, dass man die Party als "ungenehmigte Demonstration" gewertet hatte. Eine Einschätzung, die nach dem Versammlungsgesetz ein Handeln der Polizei an sich rechtfertigt. Man hätte das allerdings auch heiterer und gelassener sehen und die Party als Party akzeptieren können.

Stattdessen eskalierte durch den Polizeieinsatz ein leicht karnevalistisch angehauchtes Treffen zu einem Tumult, in dessen Verlauf Polizisten sich gegenseitig verletzten und einige Partygänger gefesselt abgeführt wurden.

Dass einige Studenten Flyer mit dem Aufruf für eine bessere Bildung verteilt haben, wird hoffentlich nicht jeder als strafverschärfend sehen.

Derlei Partys sind im übrigen nicht ungewöhnlich. In Bochum wurden ähnliche Events mal als "Springen im Dreieck" bekannt. Der Polizei war derlei also bekannt, man war damit vertraut.

Insofern hätte die Polizei das bunte und offensichtlich harmlose Treiben mit mehr Augenmaß betrachten müssen. Stattdessen dieser fürchterliche Eifer.

Quelle: WAZ vom 1.12.06

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