Benutzerspezifische Werkzeuge
Sie sind hier: Startseite Sozialer Widerstand Berichte aus anderen Orten ÖPNV: Halber Preis statt ganzes Ticket

ÖPNV: Halber Preis statt ganzes Ticket

— abgelegt unter:

Niederrhein: VGN bot beim Gespräch mit der Initiative „Sozialticket Niederrhein jetzt” rabattiertes Firmenticket für Hartz-IV-Empfänger an. VRR führt Sozialticket voraussichtlich am 1. Oktober ein.

Verbal flogen keine Fäuste. Man begegnete sich mit Respekt und Verständnis, wenngleich die Interessen nicht unterschiedlicher sein konnten. „Die elf Mitglieder der VGN haben sich gegen ein Sozialticket für die Region entschieden. Das Risiko ist zu hoch”, teilte Winfried Rauschkolb, Abteilungsleiter der Verkehrsgemeinschaft Niederrhein (VGN), mit. Am Dienstagabend war er der Einladung der Initiative „Sozialticket am Niederrhein jetzt” nach Xanten gefolgt. Mit rund 30 interessierten Bürgern aus den Kreisen Wesel und Kleve sprach er über die Möglichkeit eines günstigen Fahr-tarifs für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Dabei ließ erst gestern der benachbarte Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) nach seiner Verbandsversammlung verlauten, dass man die Einführung eines ebensolchen Sozialtickets zum 1. Oktober plane (die NRZ berichtete).

Seit 2008 günstiger Fahrpreis gefordert

Doch bei den niederrheinischen Partnern der VGN stößt das Konzept, das Hartz-IV- und Sozialgeld-Empfängern sowie armen Rentnern oder Menschen mit einem Jahreseinkommen von weniger als 15 000 Euro eine günstige, umweltfreundliche Mobilitiät ermöglichen soll, auf Ablehnung. Die Initiative „Sozialticket am Niederrhein jetzt”, die aus Mitgliedern verschiedener Fraktionen, Busfahrern, Kirchenvertretern, den Mitgliedern von Attac-Niederrhein und anderen interessierten Bürgern besteht, setzt sich seit 2008 für ein solches Fahrpreisangebot ein.

„Zum einen, um diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, kostengünstig mobil zu sein und wieder am sozialen Leben teilzunehmen oder einen Job zu finden”, sagt Klaus Kubernus-Perscheid von der Initiative.

Zum anderen könne so auch eine bessere Auslastung der Nahverkehrsmittel erzielt werden, womit ein Vorteil für beiden Seiten entstehe. 15 Euro soll das Sozialticket kosten, kalkulierte die Initiative. Ein ähnliches Angebot existiert in Dortmund, Köln und im Kreis Unna.

Mit einem Bürgerantrag zur Einführung eines Sozialtickets wandte sich die Initiative deshalb an die Kreise. Doch in Wesel stieß man auf Ablehnung. Im Kreis Kleve steht eine Entscheidung immer noch aus. Dafür konnte aber im vergangenen Jahr im Kreistag Wesel zumindest der Beschluss gefasst werden, dass man sich mit der VGN und dem Kreis Kleve in Verbindung setzen werde, um über die Einführung des Tickets zu verhandeln.

„Der Kreis Wesel ist auch an uns herangetreten”, bestätigte Rauschkolb, „aber die Verkehrsgemeinschaft besteht aus privaten Unternehmen und die treffen betriebswirtschaftliche Entscheidungen.” Die Politik habe da kaum Einflussmöglichkeit (siehe Kasten). Außerdem würde ein solches Konzept, mit einem Abo-Ticket-Preis von 15 Euro sicher auch von der Bezirkregierung abgelehnt werden mit der Begründung, dass die Wirtschaftlichkeit sonst gefährdet sei, so Rauschkolb. Im Verwaltungsrat der VGN hätte man außerdem die verschiedenen Modelle eines Sozialtickets durchgerechnet und festgestellt, dass keines ohne finanzielle Einbußen umsetzbar sei.

50 Prozent Rabatt möglich

Das einzige Angebot, das Rauschkolb der Initiative unterbreiten konnte, war ein Firmenticket. „Dabei sind bis zu 50 Prozent Rabatt auf den regulären Abo-Fahrpreis möglich.” Das Ticket könne auch von den Kreisen oder einem Verein in Auftrag gegeben werden. In der Preisstufe zwei, die jeweils für eine Stadt und die Umgegend gilt, koste so ein personalisiertes Ticket dann 40 Euro. Mindestens 50 Abo-Ticktes müssten gekauft werden und die Kostendeckung durch den Auftraggeber abgesichert sein, so Rauschkolb.

Ein erster Lösungsansatz? Sicher für diejenigen in der Runde, die froh waren, dass sich überhaupt ein VGN-Vertreter den Fragen stellte und sich „in die Höhle des Löwen” wagte. Andere Initiative-Mitglieder fragten sich, wie es nach diesen vagen Begründungen für die Ablehnung des Sozialtickets andererseits möglich sein kann, dass es seit Start der Hochschule Niederrhein ein Semesterticket zum Preis von 130 Euro für sechs Monate gebe, das sich für die VGN rechne...

Wie sich die Angelegenheit weiter entwickelt, besonders nun, da der VRR ein Sozialticket plant, bleibt abzuwarten. Fest stehe, so Klaus Kubernus-Perscheid, dass die Initiative erneut ein Sozialticket-Forum im März plane, bei dem man sich erneut an Wissenschaft und Politiker wenden will.

Weitere Informationen unter www.attac-niederrhein.de

Quelle: NRZ vom 27.01.10

Artikelaktionen