Niemand muss allein zum Amt
Roman Langner (R.L) ist Aktivist der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO) bietet Workshops zur solidarischen Begleitung von Erwerbslosen an und war bei der Aktion vor dem Jobcenter in der Storkower Straße anwesend ( http://de.indymedia.org/2009/03/243363.shtml). In dem Interview spricht er über die Geschichte und die Bedeutung der solidarischen Begleitung von Erwerbslosen.
1.) Die ALSO gilt als eine der Erfinder der solidarischen Begleitung Erwerbsloser Wie kam es dazu?
R.L.: Dieses Konzept ist durch unsere regelmäßige Sozialberatung für Erwerbslose entstanden. Wir bieten dreimal wöchentlich eine unabhängige und an den Interessen der Betroffenen orientierte Beratung an. Die Idee von Beiständen basiert darauf, dass wir den Druck der durch das chaotische Handeln der Ämter für die Betroffenen entsteht, dahin zurückgeben wollen wo er entstanden ist, nämlich in den Ämtern. So ist das Konzept der solidarischen Begleitung gestanden und wurde im Dezember 2007 unter dem Namen Aktion Zahltag von Erwerbslosen in Köln erstmals durchgeführt.
2.) Wie wird das Angebot angenommen?
R.L.: Sehr gut. Seit Februar 2008 bieten wir einmal wöchentlich zwischen 9 und 12 Uhr vor der ARGE in Oldenburg Begleitung ins Amt an. Natürlich erreichen wir als eine kleine Gruppe nur eine begrenzte Anzahl von Betroffenen. Doch das Feedback ist enorm. Viele Erwerbslose, die das erste Mal eine Begleitperson mitnehmen, sagen hinterher, dass sie noch nie so freundlich auf dem Amt behandelt worden seien. Doch es bleibt nicht nur bei diesen Gesten. Anträge, die schon eine ganze Zeit in den Akten gelegen haben, werden plötzlich bewilligt, wenn eine Begleitperson anwesend ist. Man kann also eine Menge errechen.
3.) Gab es schon Probleme mit der ARGE?
R.L.: Schikanen gab es ne Menge und es gab auch gegen Aktivisten von uns schon mal eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch und einige Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten. Doch sie alle sind eingestellt worden. Mittlerweile wurde auch durch ein Urteil des Kasseler Sozialgerichts bestätigt, dass ein Erwerbsloser bis zu 3 Personen als Beistand mitnehmen kann Das hat die rechtliche Situation für uns auf jeden Fall erleichtert.
4.) Beteiligen sich auch Erwerbslose an der Arbeit?
R.L.: Die ALSO besteht zum großen Teil aus Erwerbslosen. und durch die Begleitaktionen sind auch neue Leute dazu gekommen. Das war keine große Masse, aber es sind aktive Leute.
5.) Wie wollt ihr zur Verbreiterung dieses Konzepts beitragen?
R.L.: Es gibt Interesse in vielen Städten. Am 5. März fand eine solche Begleitaktion erstmals vor einem Jobcenter in Berlin statt. Die Resonanz der Erwerbslosen . war ähnlich wie in Oldenburg. Die meisten betonten, dass sie freundlicher behandelt wurden und es gab auch einige Erfolge bei den Anträgen. Wir bieten auch schon in verschiedenen Städten mit Unterstützung der Koordinierungsstelle der gewerkschaftlichen Erwerbslosen (KOS) Workshops zum Thema solidarische Begleitung an.
6.) Was soll dort vermittelt werden?
R.L.: Wir vermitteln die gesetzliche Grundlage, auf der die Begleitung beruht. Natürlich gibt es auch viele sehr konkrete Fragen zur Durchführung der Begleitung, auf die wir in den Workshops eingehen. Wir bieten solche Workshops gerne auch in anderen Städten an und sind bei Interesse unter also(at)also- zentrum.de erreichen. Wir haben Interesse einer Ausweitung von Beiständen, weil dadurch (Selbst)-Organisationsansätze von Erwerbslosen gefördert werden. Außerdem wird auf eine ganz praktische Art die Wichtigkeit von gemeinsamen solidarischen Handelns vermittelt und es gelingt so einen Gegendruck gegen die Schikanen der Ämter zu entwickeln.
Quelle: indymedia vom 06.03.09