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Liberté, égalité, gratuité! ÖPNV für lau

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Die Idee der kostenlosen Benutzung von Bus und Bahn stammt schon aus den 70er Jahren. Durch aktuelle Erfolgserlebnisse in Städten wie Hasselt (Belgien), Templin, Tübingen oder Aubagne in Süd-Frankreich erlebt die Diskussion um die Einführung eines Nahverkehrs zum Nulltarif eine Renaissance.

Doch wie konnte eine Stadt wie Aubagne den fahrscheinlosen Nahverkehr erfolgreich einführen? Und führt der Nulltarif automatisch zu einem Umstieg vom klimaschädlichen Individualverkehr?

ÖPNV zum Nulltarif? Eine Frage gesellschaftlicher Prioritäten!

Der kostenlose Nahverkehr scheint noch in ferner Zukunft. Vor zwei Jahren haben verschiedenen linke Gruppen in Bremen das Klimaplenum gegründet, das regelmäßig zu Umsonstfahrtagen aufruft. Im Interview mit Radio Dreyeckland erläutert H., warum man mit der Forderung „ÖPNV zum Nulltarif“ exemplarisch linke Klimapolitik ausbuchstabieren kann.

RDL: Inwiefern kann ein kostenloser Nahverkehr zu einer klimagerechten Welt beitragen?

H.: Uns ist es wichtig nicht abstrakt von Klimaschutz oder Kommunismus zu sprechen. Sondern ganz konkret in einzelnen gesellschaftlichen Feldern aufzeigen, wie ein anderes Klima oder eine ganz andere Gesellschaft aussehen könnte, die sowohl in einem sozialen Sinne emanzipatorisch ist, wie auch zum Klimaschutz einen deutlichen Beitrag leisten kann.

Das versuchen wir am Beispiel des ÖPNV aufzuzeigen, in dem wir fordern: ÖPNV soll komplett umsonst sein. Der Auto- und Flugverkehr sind wesentliche Verursacher des Klimawandels. Schon allein aus ökologischen Gründen sollte es einen Umstieg und einen Ausbau des ÖPNV und des Fernverkehrs geben.

Hinzu kommt ein sozialer Gedanke: Leute müssen sich den Nahverkehr leisten und nach ihren Bedürfnissen benutzen können. Sonst kommt man über einen individuellen Appell nicht hinaus - die Leute sollten, aber können es sich nicht leisten. Das wollen wir vermeiden. Dementsprechend versuchen wir, ein kollektives Modell zu entwerfen, das tatsächlich auch für die Menschen lebbar ist.

Führt ein ÖPNV zum Nulltarif automatisch zu einem Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel?

Wenn der ÖPNV umsonst wird, sind damit nicht alle Probleme gelöst. Natürlich müssen die Angebote so sein sein, dass die Menschen sie real in ihrem Alltag als Möglichkeit wahrnehmen. Der öffentliche Nahverkehr muss in der Fläche ausgebaut werden, er muss häufiger fahren und attraktiver sein. Ich denke schon, dass es für die Menschen ein erstrebenswertes Verkehrsmittel ist.

Man muss sich Gedanken machen wie Siedlungen aufgebaut sind, wie Arbeit und Wohnen organisiert sind. Es braucht einen Klimadiskurs, eine Klimabewegung im besten Sinne, die diese Herausforderungen breit zum Thema macht. Diese Bewegung muss aufzeigen, dass eine Veränderung von Lebenstilen nicht auf Verzicht hinauslaufen muss, sondern das gute Leben neu ausbuchstabiert.

Da gehört dazu, die Autofahrer_innen mitzunehmen und zu überlegen, wie die eigene Gemeinde so gestaltet werden kann, dass der ÖPNV attraktiver wird.

Das kann man an Beispielen im Ausland und auch in kleineren Gemeinden in Deutschland sehen. Es gibt kleine Inseln, auf denen sehr günstiger oder kostenloser ÖPNV bereit gestellt wird. Diese ganz realpolitischen Modelle zeigen, dass es funktionieren kann. Es gibt zwar einige Probleme, aber es ist nicht vollkommen utopisch diese Modelle zu realisieren.

Inwiefern waren die Erfahrungen aus anderen Städten eine Inspiration? Sind die Ansätze von einer Stadt auf die andere übertragbar?

Wir haben einen Menschen aus Templin eingeladen, einer kleinen brandenburgischen Gemeinde, in der weitgehend ein kostenloser ÖPNV realisiert ist. Im Vergleich zu Bremen ist es eine ganz andere Dimension, die ist nicht so ohne weiteres übertragbar. Es ist aber durchaus sehr inspirierend, sich mit diesen Erfahrungen auszutauschen und Überlegungen anzustellen, inwiefern Ansätze von dort auf unsere Stadt übertragbar wären bzw. wo wir an Grenzen stoßen würden.

Worauf zielt eure Kampagne ab? Worin bestehen eure Aktivitäten?

Ganz zentrales Element unserer Kampagne sind die Umsonstfahrtage. Wir haben sie im letzten Jahr zweimal durchgeführt. Wir rufen breit dazu auf und kündigen in der Presse an, dass wir erklärtermaßen an dem Tag mit vielen Menschen umsonst fahren wollen.

Einerseits hat es sehr gut funktioniert. Es gab ein großes Echo der lokalen Presse. Leider sind wir mit dieser Aktion in der linken Szene nicht auf allzu großer Resonanz gestoßen. Das Klimathema scheint in der Linken noch immer mit Berührungsängsten und Skepsis verbunden zu sein.

Auf der anderen Seite ist die Frage, ob die Aktionsform so ansprechend ist, weil man sich doch ein stückweit exponieren muss. Man muss mit den Menschen in der Straßenbahn in Kontakt treten und informieren wollen. Das ist etwas, was vielen noch immer nicht einfach fällt. Trotzdem ist es gelungen in der medialen Öffentlichkeit präsent zu sein, wie auch im direkten Gesprächen mit den VerkehrsmittelnutzerInnen zu treten. Wir haben viel Material verteilt. Es gab viele kleinere Aktionen am Rande, die sich in die Gesamtaktion eingebettet haben. Z.B. waren „Die Überflüssigen“ dort aktiv. Es gab Veranstaltungsangebote. Wir haben versucht, in der Linken Szene und in der breiten Öffentlichkeit mit diesen Themen und Forderungen Gehör zu finden.

Städte wie Hasselt (Belgien) und Aubagne (Südfrankreich) haben den kostenlosen Nahverkehr eingeführt. Was steht einer Einführung des Nulltarifs hier in Deutschland noch im Wege?

Wenn man sich auf die Ebene der Realpolitik begibt, dann tritt einem zuerst das Finanzierungsargument entgegen. „Das hört sich nett an, ist aber nicht zu bezahlen“, heißt es dann. Da ist erstmal was dran, denn viele Kommunen sind verschuldet. Aber wir wollen uns gar nicht auf diese realpolitische Ebene begeben, sondern sagen, es ist eine Frage von gesellschaftlichen Prioritäten und gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen wo Geld investiert wird und wo nicht.

Während der Finanzkrise haben wir gesehen, wie in kurzer Zeit Unsummen locker gemacht werden können, wenn es darum geht, die Banken zu retten. Wo Prioritäten ausgemacht werden, scheint immer Geld verfügbar gemacht werden zu können.

Deshalb unsere Forderung: die Klimakrise ist mindestens so bedrohlich wie die Finanz- und Wirtschaftskrise! Es wäre einfach notwendig, gesellschaftlich massiv umzusteuern und dafür die Mittel bereit zu stellen, um beispielsweise einen kostenlosen ÖPNV zu ermöglichen.

Mal visionär gedacht. Was würdest du dir auf dem Weg in eine klimagerechte Gesellschaft für die kommenden Jahre wünschen?

Eine positive Vorstellung wäre z.B. im Bereich des Nahverkehrs: Dass es gelingt in anderen Städten und europäischen Ländern eine Bewegung hinzukriegen, der es tatsächlich gelingt, dem ÖPNV ein ganz neues Gewicht zu geben. Dass dieser viel selbstverständlicher angeboten wird und viel kostengünstiger ist. Und dass der Auto- und Flugverkehr stark zurückgedrängt wird.

Damit würde man dementsprechend an einem gesellschaftlichen Bereich sehen, wie der Ansatz einer anderen Gesellschaft aussehen könnte. Solche Erfahrungen wären dann natürlich auf andere klimarelevante Bereiche zu übertragen: z.B. die Energieversorgung. Da bräuchten wir eine viel dezentralere, demokratischere und klimafreundliche Energieversorgung. Mann könnte diese Erfahrungen auch auf die Landwirtschaft übertragen, wo wir eine regionale, kleinteiligere biologische Landwirtschaft brauchen.

Diese verschiedenen Bausteine ergeben ein Mosaik, wie durchaus eine klimafreundliche und auch in der Tendenz postkapitalistische Gesellschaft aussehen könnte.

Interview: Dynamo Effect

Interview anhören


Mehr Informationen:

Klimaplenum Bremen

schwarzfahren.de

Umkehr e.V.

nulltarif.info

Fact Sheet multimodale Mobilität


Quelle: http://linksunten.indymedia.org/de/node/18580#1 vom 31.03.10

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