Köln im Dezember 2008: Zahltag XXL
Welche HartzIV -Empfängerin, welcher HartzIV-Empfänger kennt das nicht? Panik am Ersten des Monats, weil die ARGE kein Geld überwiesen hat. Du gehst zur ARGE, darfst nicht zu deinem Sachbearbeiter, der jetzt PAP (Persönlicher Ansprechpartner) genannt wird und musst erst mal eine Nummer ziehen. Du wartest darauf, dass du Stunden später dein Problem einer „Empfangsdame“ erzählen kannst. Sie kann dir nicht helfen, versteht dich zwar voll und ganz, aber du sollst übermorgen wiederkommen und sie gibt dir einen Termin für deinen PAP. Jetzt kann sie nix für dich tun ....
Du bist nicht allein…
Vor Monaten hatte eine kleine Meldung in der Zeitung gestanden:
100 Hartz-4-Empfänger hatten am 2. Februar 2007 in der Arbeitsagentur Herne so lange randaliert, bis ihnen das fehlende Geld ausgezahlt wurde. Angesichts der Menge der aufgebrachten Leute hatte Bochums Polizeisprecher Volker Schütte von einem „Massenüberfall in noch nicht da gewesener Dimension“ geredet. Am Nachmittag entspannte sich die Situation schlagartig wieder- als alle ihr Arbeitslosengeld erhalten hatten.
Diese spontane und erfolgreiche Gegenwehr von Herner Arbeitslosen ermutigte uns, zum ersten Kölner „Zahltag!“ im Oktober 2007 einzuladen. Wir hatten die Schnauze voll und wir wollten gemeinsam und offensiv was gegen die ARGE machen, wenn sie uns und anderen Probleme machte. Bis heute haben wir während der Zahltag-Aktionen keine weiteren Forderungen aufgestellt, als die von uns direkt in der ARGE umgesetzt werden können. Unser Problem ist nicht, dass uns keine Forderungen einfallen. Unser Problem ist, dass wir sie durchsetzen müssen.
Der Name der Aktion „Zahltag!“ weist zum einen auf den Umstand hin, dass die ARGE zum Monatsanfang das ALG 2 überweist (oder eben nicht überweist). Zum anderen verkörpert der „Zahltag!“ auch einen Tag der Abrechnung. Wobei es stets allen Beteiligten überlassen bleibt, ob nun die Ansprüche des letzten Monats oder aber die der nächsten zehn Jahre abgerechnet werden. Insofern wird „Zahltag!“ auch in Zukunft mehr als nur „Kohle her!“ sein. Mehr zu den ersten Zahltagen
Zahltag XXL:
Tag 1
Heute begann der Zahltag XXL in der Kölner ARGe (Luxemburgerstr.). Pünktlich um 8 Uhr versammelten sich über 50 AktivistInnen diverserer Erwerbslosen Gruppen sowie antirassistischer, antimilitaristischer und antifaschistischer Gruppen um der ARGe mal wieder „Dampf unterm Arsch“ zu machen. Verständlicherweise hatte die ARGe und ihre Security alias Hausmeister kein größeres Interesse am angekündigten Besuch und versuchten zunächst die AktivistInnen den Eingang zur ARGe zu verwehren. Nach kurzer Schubserei konnte jedoch das Foyer der ARGe erobert werden, so dass die nun recht hilflos und panisch wirkenden Hausmeister erstmal die Streifenhörnchen riefen. Mehr ...
Tag 2
Pünktlich um 8:00 Uhr begann der zweite Zahltag vor der Arge Luxemburger Straße mit einer entmilitarisierten Zone. AktivistInnen (der Kampagne „Bundeswehr – Wegtreten“) sperrten einen Bereich der Zugangswege symbolisch aus. Es wurden Flugblätter verteilt und in Redebeiträgen von den Rekrutierungsversuchen der Bundeswehr in der Arge und in Schulen berichtet. Nach ca. 1 Stunde machten sich etwa 40 Menschen auf den Weg, zu der Arge Kalk im Stadteil Mülheim, auf die andere Rheinseite. Dort wurde der Wartebereich in Beschlag genommen und schon nach kurzer Zeit wurde der Unmut der Wartenden laut, die Berichte schikanöser Behandlungen nahm kein Ende. Mehr ...
Tag 3 – Alles für alle und zwar umsonst!
Wie an beiden vorigen Tagen trafen sich um 8 Uhr morgens mehrer Aktivistinnen von Erwerbslosen, antirassistische, antimilitaristische und antifaschistische Gruppen um den Zumutungen der ARGen und andere Institutionen ein wenig Widerspenstigkeit entgegen zu setzten. Unberechenbar, wie der Zahltag XXL nun mal ist, ging es diesmal nicht in die ARGe an der Luxemburgerstr. sondern in den Kölner Norden Niehl. Enttäuscht kuckten also erstmal die Hausmeister drein, die an der ARGe Luxemburgerstr abgestellt worden waren, die AktivistInnen daran zu hindern, das Foyer der ARGe zu erobern. Mehr ...
Tag 4 - Hundertschaft gegen Zahltag xxl in Köln
Der vierte Tag der inzwischen in Köln traditionellen Aktion "Zahltag!", die sich gegen die Verarmung, Entrechtung und Entwürdigung durch HartzIV und dessen tagtäglichen Vollzug auf den Ämtern richtet, begann mit einem im Foyer des "Kalk-Karree" angerichteten Frühstücksbuffet, zu dem den überwiegend unfreiwilligen Besucher der verschiedenen dort untergebrachten Ämter Informationen zu ihren Rechten, Beratung im Umgang mit den Behörden und ganz konkret Begleitung auf die Amtsstuben angeboten wurde. Geendet hat der vierte Tag des diesmal auf die gesamte Woche ausgedehnten "Zahltag XXL" jedoch mit dem gewalttätigen Einsatz einer Hundertschaft der Kölner Bereitschaftspolizei gegen die Protestierenden. Mehr ...
Tag 5
Am vorerst letzten Kölner Zahltag für diese Woche besuchten die Aktiven überraschend (und diesmal von den Repressionskräften ungestört) die "Sonderabteilung U-25" in der ArGe-Mülheim, Genovevastraße: Schwerpunkt war die Stelle für „Unter-25-Jährige", die in besonderem Maße von Diskriminierungen, Entrechtungen und Entwürdigungen durch eine auf diese "Sondergruppe" abgestimmte HartzIV-Gesetzgebung, aber auch von der Willkür, der Machtstellung und den Übergriffen durch die vollziehenden SachbearbeiterInnen, Teamleitungen und StandortleiterInnen ausgeliefert sind. Abgerundet wurde der "Zahltag XXL", der diesmal von einem bunten Bündnis verschiedener Gruppen rund um die soziale Frage, Antira, Antifa und Antimilitarismus getragen wurde, am Abend mit einer Party-Besetzung. Mehr ...
Quelle: indymedia