Klare Kante für Neonazis
Mehr als 25000 Menschen haben am Samstag (1. Mai 2010) in der Bundesrepublik gegen Aufmärsche von Neonazis demonstriert. Mittels Massenblockaden wurden dabei entweder die Demorouten der Rechten erheblich verkürzt oder der Ablauf ihrer Veranstaltungen verzögert. Die Neofaschisten mobilisierten insgesamt rund 3000 Anhänger zu sieben Aufmärschen.
Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg beteiligten sich rund 10000 Menschen an den Protesten. Die Neonazis brachten lediglich etwa 550 Anhänger auf die Straße, nachdem die Veranstalter von 3000 ausgegangen waren. Bereits am frühen Morgen hatte die Polizei die Demoroute weiträumig abgesperrt. Über Dächer und durch Hinterhöfe gelang es aber rund 200 Menschen, den Sammelpunkt der Neonazis am S-Bahnof Bornholmer Straße zu blockieren. Gegen 10 Uhr ging die Polizei gewaltsam gegen die Neonazigegner vor.
Währenddessen besetzten Tausende die umliegenden Straßen. So konnten die Neonazis erst gegen 15 Uhr ihren Zug starten. Unter denen, die sich den Rechten in den Weg setzten, waren auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, Pankows Bürgermeister Matthias Köhne und Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening (alle SPD). Namentlich Thierse erntete dafür scharfe Kritik vom Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg. Sein Verhalten sei »würdelos«, erklärte Freiberg am Samstag abend. Es sei »unerträglich, wenn Vertreter von Verfassungsorganen aus billigem Populismus gegen Recht und Gesetz verstoßen«. Auch nach Platzverweis und trotz des Hinweises des Polizeiführers, »daß sie sich der Nötigung strafbar machten und gegen das Versammlungsgesetz verstießen«, hätten die Politiker die Straße nicht geräumt und hätten abtransportiert werden müssen, beklagte die GdP.
Wegen der Blockaden ließ der zuständige Einsatzleiter die Neonazis schließlich »aus Sicherheitsgründen« zum Sammelpunkt zurücklaufen, wie er gegenüber Journalisten erklärte. Statt der geplanten sechs Kilometer hatten sie nur etwa 800 Meter laufen können. Währenddessen zogen jedoch rund 300 Neonazis unangemeldet über den Kurfürstendamm. Nachdem sie Polizisten angegriffen hatten, wurden alle festgenommen.
Auch in Erfurt ging für rund 400 NPD-Anhänger bereits nach 500 Metern nichts mehr: Etwa 1500 Menschen blockierten ihren Aufmarsch. Die Polizei sah sich nicht in der Lage, den Rechten ihren Weg freizuräumen. In Rostock protestierten rund 2000 Menschen gegen eine NPD-Demonstration mit 800 Teilnehmern.
In Schweinfurt beteiligten sich rund 8000 Menschen an Aktionen des Bündnisses »Schweinfurt ist bunt – nicht braun«. Die Polizei ermöglichte jedoch 800 Neonazis einen ungestörten Aufmarsch, wenn auch mit verkürzter Strecke. In Würzburg protestierten 5000 Menschen gegen rechts, ein Neonaziaufmarsch in der Stadt war zuvor abgesagt worden. An rechten Aufmärschen in Zwickau und Hoyerswerda beteiligten sich jeweils 400 Personen, 2000 Menschen stellten sich ihnen entgegen.
Quelle: Junge Welt vom 03.05.10
Eine Leserzuschrift dazu:
Wenn ein Gewerkschafter wie der GDP Vorsitzende Konrad Freiberg das Auftreten von Wolfgang Thierse gegen den Nazi Aufmarsch als "würdelos" bezeichnet, bleibt festzustellen. Nicht das Verhalten von Thierse ist zu kritisieren sondern die Einstellung von Richtern, die immer wieder Nazi-Aufmärsche ermöglichen und damit eindeutig gegen den Artikel 139 des Grundgesetzes verstoßen. Vom Gewerkschaftskollegen Freiberg hätte ich etwas mehr Zivilcourage erwartet. Hat er denn aus der Geschichte der 1930er Jahre, als die Nazi-Horden am 2. Mai 1933 die Gewerkschaftshäuser stürmten, gar nichts gelernt? Es ist an der Zeit, Herr Kollege Freiberg, das Sie und alle Mitglieder der Polizeigewerkschaft endlich sagen: Für diese braune, ewig gestrige Bande halten wir unseren Kopf nicht mehr hin! Der gesamte Nazi-Spuk würde sich sehr schnell erledigen. Und kommen sie mir jetzt bitte nicht mit unserem Demokratieverständnis und dem ertragen müssen von anderen Meinungen. Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen und wer die Demokratie verteidigen will muss schon etwas dafür Tun. Wolfgang Thierse hat meine volle Unterstützung. Ich wünschte mir das sich alle Mandatsträger zivil und ungehorsam gemeinsam mit den Antifaschisten gegen Nazi-Aufmärsche auf die Strasse setzen und ein Polizei-Gewerkschaft-Boss da ist, der das richtig findet.
Willi Hoffmeister,
seit 57 Jahren Mitglied der IG Metall