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Bahnfahren muß bezahlbar sein

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Düsseldorf: Alle wollen ein Sozialticket. Die Frage ist, zu welchem Preis? Die Düsseldorfer »Initiative für ein Sozialticket« hatte am Donnerstag zur öffentlichen Diskussionsrunde vor dem nordrhein-westfälischen Landtag eingeladen.

Tatsächlich kamen Politiker aller im Parlament vertretenen Parteien. Das ist nicht ungewöhnlich, denn im einwohnerstärksten Bundesland wird am 9. Mai gewählt – mit ungewissem Ausgang. Ungewöhnlich hingegen war die Breite der Zustimmung zum Sozialticket. Lediglich der Vertreter der FDP hatte Schwierigkeiten, sein Nein vor den rund 250 Zuhörern nicht allzu deutlich werden zu lassen. In wahlkampfbedingter Einmütigkeit erklärten CDU, SPD und FDP, daß die Vergünstigung für sozial Schwache demnächst käme, wenn ihre jeweilige Partei denn gestärkt aus den Wahlen hervorginge.

Die regierende CDU und die Grünen konnten damit punkten, daß sie bereits einen entsprechenden verbindlichen Beschluß in einem großen nordrhein-westfälischen Verkehrsverbund durchgesetzt haben. Lediglich der Preis stünde noch nicht fest. Er müsse mit Hilfe einer Marktanalyse noch festgestellt werden. Frank Laubenburg, Landtagskandidat der Partei Die Linke, hielt dem entgegen, daß der hohe Bedarf an der schnellen Einführung des Tickets bekannt sei und der Preis die im Arbeitslosengeld-Regelsatz vorgesehenen 11,49 Euro nicht überschreiten dürfe. Für CDU, SPD und Grüne schwankt der Preis zwischen 15 und 20 Euro, was immerhin deutlich unter den bisherigen Tarifen läge.

Eingeleitet wurde die Diskussion am Vormittag mit Vorträgen verschiedener Befürworter des Sozialtickets. Prof. Dr. Thomas Münch übte scharfe Kritik an der durch staatliches Handeln verursachten gesellschaftlichen Ausgrenzung von Menschen mit wenig Geld. Das günstigere Ticket sei für ihn nicht die Herstellung von Gerechtigkeit, wohl aber ein kleiner Schritt dahin. Stefan Pfeiffer, der für den DGB sprach, erklärte, die Fahrkarte sei »unverzichtbar für ein Minimum an Menschenwürde«. Für die Diakonie wies Christian Arnold darauf hin, daß »nur ein bezahlbares Ticket ein wirklicher Fortschritt« sei. Gefängnispfarrer Wolfgang Sieffert nannte es »unerträglich, daß Menschen, weil sie zu arm für den Kauf einer Fahrkare sind, ins Gefängnis müssen«.

Für die »Initiative für ein Sozialticket« resümierte schließlich deren Sprecher Holger Kirchhöfer: »Nur unser kontinuierliches Engagement hat dazu geführt, daß es heute eine sehr große Zustimmung zum Ticket gibt. Das war vor zwei Jahren noch ganz anders.« Ohne die Zusammenarbeit von so unterschiedlichen Gruppen wie der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, dem Straßenmagazin fiftyfifty, aber auch der Gewerkschaft ver.di sowie der radikal-linken initiative k hätte es keinen Zentimeter Veränderung in der Politik gegeben. »Wir stehen kurz vor einem Erfolg – kämpfen lohnt sich«, so Kirchhöfer.

Wie groß dieser Erfolg ausfallen wird, entscheidet sich in den kommenden Monaten. Das Sozialticket soll am 1. Januar 2011 im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr eingeführt werden. Die Höhe des Preises und weitere Modalitäten hängen davon ab, ob es einen Landeszuschuß gibt – und in welcher Höhe er fließt.

Quelle: Junge Welt vom 17.04.10

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