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Arbeiter erpressen mit Bombendrohungen Abfindung

Paris. Sie hantieren mit Gasflaschen und drohen ihre Unternehmen in die Luft zu jagen: wütende französische Arbeiter, die fürchten müssen entlassen zu werden. Die Mitarbeiter des Hebebühnenherstellers JLG hatten damit Erfolg: Sie bekommen 30.000 Euro Abfindung.

Allein in dieser Woche sprang der Funke der wütenden Arbeiter gleich auf mehrere Unternehmen über - vom  Automobilzulieferer New Fabris zu Nortel (Telekommunikation) und von dort zu JLG: die Gasflasche als neuestes und buchstäblich  explosivstes Druckmittel im Arbeitskampf.

Das erklärte Ziel der  "Bombenbastler" im Blaumann:  Sie pochen auf hohe Abfindungen von  mehreren Zehntausend Euro. JLG ist ein kleines mittelständisches Metallunternehmen im  Industriegebiet von Tonneins im Departement Lot-et-Garonne. Seit die  Unternehmensleitung bekannt gab, dass 53 der 166 Mitarbeiter entlassen werden sollen, brennt es buchstäblich unterm Firmendach. 

Fast ein Drittel der Belegschaft soll gehen

Zuerst zogen sie Spruchbänder auf, errichteten Straßensperren und  verbrannten Paletten, bis sie schließlich sieben hochexplosive, grüne Gasflaschen auf dem Firmengelände installierten. "Erst als sie anfingen, die Maschinen abzubauen, kam die Sache so richtig ins  Rollen", sagte ein JLG-Monteur der Zeitung "Libération". Nun bekommt jeder entlassene Arbeiter 30.000 Euro, und zwar für jeden, unabhängig  von der Länge der Betriebszugehörigkeit.

Auf exakt dieselbe Abfindung pochen sie auch beim Automobilzulieferer New Fabris in  Chatellerault (Vienne), der ausschließlich für Renault, Citroen und  Peugeot arbeitet. Im Werk von Nortel in Chateaufort (Yvelines), das komplett  geschlossen werden soll, räumten die Streikenden die Gasflaschen am  Mittwoch vorübergehend zur Seite, um den Besuch von  Industrieminister Christian Erosi zu ermöglichen. Dass dieser die  Radikalität der Streikenden und ihre "inakzeptablen Methoden"  ablehnt, beeindruckt die Nortel-Belegschaft wenig.

Von wegen Urlaubsstimmung

Es ist vor allem der Zeitpunkt der Radikalisierung, der die  französische Regierung so überrascht. Angesichts der überall  beginnenden langen Werksferien herrscht Mitte Juli im ganzen Land  eigentlich ausgelassene Urlaubsstimmung. Nicht so in diesem Jahr.

Der Trend zu immer radikaleren Arbeitskämpfe ist in Frankreich allerdings nicht neu. Schon im Jahr 2000 hatten 150 Beschäftigte einer Spinnerei in den Ardennen damit gedroht, 100 Tonnen  gefährlicher Chemikalien zu entzünden. Die Rechnung ging auf, die Arbeiter erhielten eine Abfindung von je 12.000 Euro. Im Jahr darauf  drohte die Moulinex-Belegschaft in Calvados damit, das Werk anzuzünden. Mit Erfolg: Es dauerte nicht lange und der Sozialplan  wurde mit einer zusätzlichen Prämie versüßt.

Im Daewoo-Werk von Mont-Saint-Martin beließen sie es im Januar 2003  nicht bei Worten. Sie schritten zur Tat und zündelten tatsächlich -  6000 Quadratmeter des Werks gingen in Flammen auf. Vor gut einem  Jahr, im März 2008, drohten wiederum fünfzig Arbeiter eines Werks in  den Ardennen damit, tonnenweise Säure in den Fluss Meuse zu kippen.

"Bossnapping" ist auch beliegt

Als ein ebenfalls sehr beliebtes Mittel in französischen  Arbeitskämpfen erweist sich seit geraumer Zeit  "le bossnapping":  Manager werden als Geisel in die Gewalt der Belegschaft gebracht und  mitunter erst Wochen später freigelassen.

Dass bei den "Bombenbastlern" von New Fabris, Nortel und JLG die  Sicherung durchbrennt, halten die meisten Beobachter, darunter auch  Gewerkschafter, für ziemlich unwahrscheinlich. In erster Linie  unterstellt man den Streikenden, dass sie mit ihrer spektakulären  Gasflaschen-Aktion die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen  wollen,  um im Abfindungspoker die besseren Trümpfe in der Hand zu  halten.

Wie sehr sich Hartnäckigkeit lohnen kann, bewies unlängst auch die  kämpferische Belegschaft des französischen Continental-Reifenwerks.  Sie erstritten eine Abfindung von 50.000 Euro und legten die  Messlatte für Abfindungen anderswo sehr hoch.

Ob es sich bei den dramatischen Bildern der letzten Tage um  singuläre Ereignisse handelt oder, im Gegenteil, um den Beginn eines  Flächenbrandes, wird sich zeigen. Dominique Gillier, der  Generalsekretär der Metallarbeitergewerkschaft CFDT, schloss in  einem Zeitungsinterview jedenfalls einen heißen Herbst nicht aus:  "Die Unruhe ist schon sehr stark."

Quelle: WAZ vom 17.07.09

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