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Arbeitslose Aachener gründen Initiative "Tatendrang"

Eine Aachener Initiative will nicht auf bessere Zeiten warten. Betreuung Betroffener wird mit politischem Druck kombiniert. Ein Gespraech mit dem Gründungsmitglied Franz Voigt aus der Jungen Welt.

Interview: Hans-Gerd Oefinger

  • Franz Voigt lebt vom Arbeitslosengeld II und ist Gruendungsmitglied von "Tatendrang", einer unabhaengigen Gruppe Arbeitsloser und sozial Benachteiligter in Aachen. "Tatendrang" ist Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen und Sozialhilfeeinrichtungen e. V. (BAG-SHI )

F: Welche persoenlichen Erfahrungen haben Sie dazu gebracht, an der Gruendung der Gruppe "Tatendrang" mitzuwirken?

Unter anderem meine langjaehrige Arbeitslosigkeit, die Perspektivlosigkeit und die zunehmende Angst vor Altersarmut. Durch meinen beruflichen Absturz und die Agenda 2010 hat sich bei mir der Antrieb verstaerkt, politisch aktiv zu werden und oeffentlich Druck und Protest auszuloesen.

F: Welche Resonanz hatte Ihre Gruppe bisher? Wie kommt sie bei den Betroffenen an?

"Tatendrang" gibt es seit Maerz. Es war schwer, die Gruppe aufzubauen, da wir weder Geld noch Raeume hatten. Aber wir haben dennoch einiges auf den Weg gebracht. Obwohl viele Arbeitslose resigniert haben und schwer ansprechbar sind, haben sich einige Betroffene bei uns zusammengefunden. Wir fuehren viele Gespraeche, haben eine Erwerbslosenzeitung gegruendet und verteilen Flugblaetter. Ein Leser schrieb uns zu unserer ersten Zeitung: "Die Ausgabe ist informativ und ermutigt Betroffene festzustellen: Ich bin gar nicht alleine, es gibt Leute, die sich fuer meine Probleme einsetzen." Ein besseres Kompliment konnte man uns gar nicht machen. So etwas motiviert und hilft ueber Frust hinweg.

F: Sie beklagen, dass nach Erscheinen Ihrer Zeitung versucht wurde, Ihre Arbeit zu behindern ...

Ein halb-staedtischer Traeger hatte uns zunaechst kostenlos Raeume zur Verfuegung gestellt. Obwohl sie frei sind, durften wir sie jedoch eines Tages unter einem fadenscheinigen Vorwand ploetzlich nicht mehr nutzen. Wir vermuten, dass erheblicher politischer Druck zu dieser Entscheidung gefuehrt hat. Ein gravierendes Problem fuer uns ist jetzt, dass wir 5 000 Zeitungen und eine erhebliche Anzahl von Flugblaettern gedruckt hatten, auf denen wir unter dieser Adresse zu unseren Treffs einladen. Jetzt duerfen wir nicht mehr in die Raeume hinein – wenn Interessenten kommen, stehen sie vor verschlossener Tuer.

F: Sie wollen politisch Einfluss nehmen. Was haben Sie bisher erreicht?

Wir nehmen die Politik auf allen Ebenen in die Pflicht. Auch die Kommunen haben durchaus Spielraum, um Verbesserungen oder Verguenstigungen fuer Arbeitslose zu beschliessen. Einige Forderungen unserer Gruppe finden wir im Programm der Linkspartei wieder. Wir wollen darueber hinaus einen Massnahmenkatalog erstellen und diesen an die neuen Abgeordneten der Linkspartei im Bundestag schicken. Mit dem WASG-Landesvorstand hat auch ein Erfahrungsaustausch stattgefunden. Wir haben auch publizistisch Erfolg gehabt, z. B. haben WDR und ZDF ueber uns berichtet.

F: Was empfehlen Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen anderen Gruppen, die in anderen Staedten aehnliche Arbeit leisten?

Es ist am wichtigsten, sich auch durch Rueckschlaege nicht entmutigen zu lassen und weiter zu machen. Wichtig sind auch offene Gespraeche in der Gruppe, wobei die Wahrung der Schweigepflicht natuerlich oberstes Gebot ist. Wir haben gemerkt, dass unser Gespraechskreis fuer etliche Kolleginnen und Kollegen einfach notwendig war. Einige haben bittere Traenen vergossen, als ihre Erlebnisse und Emotionen zum Vorschein kamen. Eine aktuelle Studie weist uebrigens nach, dass bereits jeder dritten Arbeitslose krank ist. Seelische Probleme stehen an erster Stelle – verursacht durch die anhaltende Arbeitslosigkeit und die daraus folgenden Probleme.

Wichtig ist, mit konkreten Forderungen an die Oeffentlichkeit zu gehen. Noetig sind auch Kontakte zu Medien und anderen sozialen Bewegungen. Aufklaerung ueber Arbeitslosigkeit muss an Ort und Stelle geleistet werden und zwar mit Arbeitslosen, die man ja bekanntlich am einfachsten vor der Agentur fuer Arbeit findet. Man muss auf die Leute zugehen, es hilft nichts, darauf zu warten, dass sie von selbst kommen. Auch eine ueberregionale Vernetzung und ein gegenseitiger Austausch sind wichtig.

Quelle: www.jungewelt.de

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