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Strike-Bike und die Rolle der Gewerkschaften

In Deutschland wird eine Fabrik besetzt, die 135 ArbeiterInnen zeigen einen hierzulande fast nie da gewesenen Zusammenhalt, besetzen die Fabrik seit nun 3 Monaten und entscheiden sich zu einem in Deutschland für unmöglich gehaltenen Schritt; der Produktion in Selbstverwaltung. Wohlgemerkt in einem besetzten Betrieb. Damit überschreiten sie alle Grenzen, welche wir uns im Rahmen von Aktionen der DGB Gewerkschaften vorstellen können.

Und haben damit einen Erfolg welcher in die Geschichte eingehen wird.


Über google finden sich zwei Wochen nach dem Start der Kampagne sagenhafte 300.000 Einträge zu "Strike-Bike" aus der ganzen Welt. Und fast nirgends ein Wort über die IGM, sondern nur über die in Deutschland wirklich kleine anarchosyndikalistische FAU.

Mir drängte sich sofort eine Frage auf: Was bitte, außer Gejammer über „Heuschrecken“ und die dazu passende Demo in Frankfurt, hat „meine“ Gewerkschaft, die IGM, mit der Geschichte in Nordhausen zu tun?

Ein erster Artikel der das Thema überhaupt erwähnt, von Peter Nowak (Telepolis / Heise) vom 2.10.2007, lässt endgültig aufhorchen. Die IGM als Blockiererin dieser Aktion?

Zitat:
Die Tatsache, dass DGB-Gewerkschaften in dem Werk nicht Fuß fassen konnten, hatte die pragmatische Zusammenarbeit mit der FAU sogar erleichtert. Denn durch feste DGB-Strukturen wird in der Regel sehr streng darauf geachtet, dass Konkurrenten von links dort gar nicht erst Fuß fassen können. Dazu werden mitunter auch Verbote und andere administrative Maßnahmen angewandt. Die Arbeiter in Nordhausen haben sich hingegen immer gegen jegliche Bevormundung von Parteien und Gewerkschaften gewandt.
Zitat Ende....

Bei genauerer Recherche zu IGM und Strike-Bike findet man dann höchstens lokale Unterstützung, allerdings, wohl bezeichnenderweise, nie von der IGM-Verwaltungsstelle Nordhausen. Sondern z.B. von der IGM Leipzig. Und dort wird´s dann richtig peinlich, anscheinend allerdings ohne die Schuld der lokalen Aktiven, sondern durch den ihnen wohl zentral vorgegebenen Inhalt. In Aufruf des IGM-Leipzig Blogs wird versucht, die Zusammenarbeit der KollegInnen mit der FAU zu vertuschen:

Zitat:
Liebe KollegInnen,
fast wörtlich schreibt Ihr den Flyer zum Strike-Bike ab. Erstmal schön und gut. Im Original heißt es: “In konstruktiver Zusammenarbeit mit der Radspannerei Berlin Kreuzberg, der Cafe Libertad eG aus Hamburg und der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft der www.fau.org wurde das Konzept kurzfristig entwickelt. ” Warum verschweigt Ihr, die Zusammenarbeit mit der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft? Habt Ihr so wenig Selbstbewußtsein?
Zitat Ende

Am 4. Oktober in der "Jungle World" dann das erste Mal offene Kritik an der IGM durch Folkert Mohrhof von der FAU:
»Was wir als Mini-Gewerkschaft bekommen haben, ist internationale Solidarität«, sagt Folkert Mohrhof, der Pressesprecher des »Solidaritätskreises Strike-Bike« der FAU, im Gespräch mit der Jungle World. Nur die IG Metall kritisiert er. »Es ist eine absolute Sauerei, von der IG Metall kommt überhaupt nichts.« Und er fährt fort: »Wieso kaufen die eigentlich keine Strike-Bikes? Die hätten die Möglichkeit zu einer Großbestellung.«

Und im selben Artikel das Eingeständnis:
Astrid Schwarz-Zaplinski, die erste Bevollmächtigte der IG Metall Nordhausen, reagiert auf diese Frage ausweichend: »Einzelne Kollegen und Kolleginnen der IG Metall werden sicherlich bestellen.«

Wirklich beeindruckend.....

Und dann, einen Tag später und direkt hier auf Indy verlinkt (und auch über jede Suchmaschine leicht zu finden), der unfassbare Bericht eines Kollegen von der Radspannerei Kreuzberg über einen Besuch in Nordhausen.

Zitat:
als nachtrag noch einen kleinen wermutstropfen. die ig-metall, welche die belegschaft mehr als zwei monate hingehalten hatte, sie vielmehr noch zu überreden versuchte, den kampf aufzugeben im hinblick auf die konsequenzen, sozusagen angstmacherei betrieb, und die eigentlich in ihrer funktion selbstverständliche unterstützung versagte, sprang erst wieder auf den zug auf, nachdem die „tagesthemen“ der ard einen bericht über die werksbesetzung gesendet hatte. sie warb um die 65 noch nicht-mitgliederinnen ihrer organisation, bot ihnen, um die entscheidung zu erleichtern, zinslose darlehen an. 30 der jetzigen vereinsmitglieder vom bikes aus nordhausen e. v. traten ein. der mitgliedsbeitrag von 30,-€ wurde ihnen umgehend vom konto abgezogen, jedoch wurde bis heute kein einziges darlehen gezahlt. statt dessen wurden wimpel und ig-metall-girlanden aufgehängt, plakate gedruckt, die kaum erfüllbare forderungen an die heuschreckengesellschaft „lone-star“ richtet, welche in den usa residiert, und die unvermeidliche, weithin sichtbare ig-metall-flgge gehißt.
professionell und erfahren wie sie ist, wurde die fau mit der fehlinformation versorgt, die offizielle pressekonferenz am 02.10.2007 sei um 15:00 uhr angesetzt. eine information, die erstmal niemand anzweifelte, was sich im nachhinein als fataler fehler herausstellte. denn in wirklichkeit hatten sich mehrere fernsehteams und redaktionen einiger namhafter tageszeitungen schon um 12:00 im werk eingefunden, so daß die ig-metall allein mit auf dem podium saß, um sich als haupt-solidaritätsorganisations zu präsentieren. die initiatorinnen von cafe-libertad, die fau und viele andere, welche den kampf von anfang an tatkräftig unterstützt hatten, blieben außen vor. vertrauen ist gut, jedoch nicht in jedem fall.
Zitat Ende

Die Lektüre davon bedeutete für mich das Ende meiner Mitgliedschaft in diesem Apparat.
Was aber bedeuteten diese Geschehnisse für die Fortführung des vorbildlichen selbstorganisierten Kampfes der KollegInnen in Nordhausen? Hoffentlich werden sie zusammenhalten und sich von der IGM genauso wenig spalten lassen wie von LoneStar und der MIFA, dem Arbeitsamt oder dem Insolvenzverwalter. Den Versprechungen der IGM werden sie zukünftig jedenfalls sicher soviel Glauben schenken wie den Versprechen der „solidarischen“ PolitikerInnen, welche sich in den letzten Tagen der Aktion, als sicher war, was für ein Erfolg die Kampagne haben würde, auf dem Strike-Bike fotografieren ließen. Mit einer gemeinsamen Fortführung des Kampfes ohne sie instrumentalisierende Funktionäre würden sie noch mehr beweisen, als sie es bisher schon getan haben: nämlich, dass die allerbesten Aktionen immer von den Betroffenen selbst ausgehen und, dass dies, wenn konsequent durchgeführt, immer zum Erfolg verhilft. Durch eben dieses Vorgehen haben sie schon eine selten gesehene Solidarität von Unten ausgelöst. Und diese wird allen, die von der Geschichte gehört und gelesen haben, noch mehr Mut machen.

Und noch ein letztes Wort zur FAU, über deren Rolle ja genug bekannt sein dürfte: neben ihrer beeindruckenden Aktivität in vielen Städten ist ihr hoch anzurechnen, dass sie die Informationen, die sie zweifellos über die Rolle der IGM hat, nicht gegen diese ausspielt, während die IGM anscheinend bereit ist, alle Mittel anzuwenden, um die Konkurrenz von links zu unterdrücken.

Quelle: indymedia vom 8.10.07

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