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Streik der LokführerInnen - "Diese Dienstzeiten sind Ihr Sargnagel"

Es klingt vermessen, wenn jemand 31 Prozent mehr Lohn fordert. "Das hört sich unglaublich an. Aber viel unglaublicher sind die Verhältnisse bei der Bahn", sagen Dirk Berger und Harald Vorhauer. Der eine ist ein angestellter, der anderer ein verbeamteter Lokführer. Der eine kriegt 1600, der andere 2400 netto im Monat.

Um diese ungleiche Bezahlung geht es den beiden Bahnern, die in der Gewerkschaft Deutscher Lokführer organisiert sind. Der Angestellte will seine Gehaltsvorstellung notfalls erstreiken.

"Der Angestellte will soviel verdienen wie ein Beamter. Unser Arbeitgeber hat ausgerechnet, dass die Differenz 31 Prozent beträgt. Jetzt heißt es, wir seien maßlos", sagt Harald Vorhauer, Vorsitzender der GDL in Dortmund. Die Kritik der DGB-Gewerkschaft Transnet, die GDL führe einen egoistischen Konflikt, sei unbegründet. Schließlich spreche man nicht nur für die Lokführer, sondern vertrete auch die Interessen der Service-Mitarbeiter und Zugbegleiter. "Uns geht es um alle im Schienenverkehr Beschäftigten. Die haben die stressigsten Jobs", sagt Vorhauer.

Berger, seit 28 Jahren Bahner, seit 26 Jahren auf der Lok, macht deutlich, was das Wort Stress bedeutet. Der 45-Jährige wird im Fernverkehr eingesetzt und bewegt IC und ICE in ganz Deutschland. Wenn er im Monat 1600 Euro netto (inklusive Schichtzulagen) verdienen kann, ist er zufrieden.

Doch dafür ist er an seine körperlichen Grenzen gestoßen. Dafür hat er seine Lok zu jeder Tages- und Nachtzeit bewegt und musste sich wie immer mit Schlafstörungen ´rumschlagen. Dafür hat er drei Wochenenden gearbeitet und hat seine sozialen Kontakte gegen Null gefahren. Allein in der Lok, in der jeder seiner Schritte am Computer aufgezeichnet wird, kommt er ins Grübeln.

"Ich wusste, auf was ich mich einlasse. Aber die Belastung wird immer schlimmer." Die Dienstpläne seien auf Wirtschaftlichkeit, nicht auf Menschen ausgerichtet. Immer häufiger beginne seine Schicht zwischen 0 und 4 Uhr. Der Anspruch auf ein verlängertes Wochenende zwanzig Mal im Jahr sei auch Makulatur. "Da hast du samstags ab 13 Uhr bis montags 5 Uhr frei", erzählt Berger.

In seinen Knochen stecken anstrengende Tage mit folgenden Antrittszeiten: 8.03; 12.52; 15.45. Der 45-Jährige war wie gefordert flexibel. Sein Arzt sagt, "diese Dienstzeiten sind Ihr Sargnagel". Wenn er streiken darf, wird er es tun.

Sein besser verdienender Kollege Vorhauer darf das nicht. Er ist Beamter.

 

Fahrpersonal mit im Boot

HINTERGRUND

  • Die Deutsche Bahn beschäftigt 19 611 Lokomotivführer und 31 455 Mitarbeiter beim Fahrpersonal.
  • Die GDL organisiert 15 550 Lokomotivführer und 19 450 Mitarbeiter des Fahrpersonals.
  • Die GDL fordert einen eigenständigen Tarifvertrag für das Fahrpersonal, der eine Lohnerhöhung von 31 Prozent vorsieht.
  • Die Entgeldtarife für Lokomotivführer sollen von derzeit 1970 Euro bei Berufseinstieg (nach vier Jahren 2148 Euro) auf 2500 Euro für Berufsanfänger (2999 Euro nach 30 Jahren) im Rahmen eines Fahrpersonaltarifvertrages ansteigen.
  • Gefordert wird eine maximale Schichtlänge von 12 statt bisher 14 Stunden.
  • Die Bahn wirft der GDL vor, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährde.
  • Bei der Urabstimmung der Lokomotivführergewerkschaft sprach sich die Mehrheit für den Arbeitskampf aus.

 

Quelle: Westfälische Rundschau vom 06.08.2007

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