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Prüsse, Kauch und Pohlmann: Hände weg vom Sozialticket!

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Die Gefahr ist mittlerweile gebannt, dass das Sozi­alticket für Bus&Bahn noch vor Ende des 2-jährigen Probebetriebes eingestellt werden könnte. Darauf können wir durchaus ein bisschen stolz sein. Denn das wollten CDU, FDP/Bürgerliste und zeitweise auch die Dortmunder SPD.

Das Ticket zum Preis von 15 € ist ein echter Verkaufsschlager. 23.800 Dortmunder und Dortmunderinnen sind mittlerweile mit dem vergünstigten Monatsticket unterwegs. Und die Zahl der DSW-Fahrgäste schwoll im letzten Jahr auf einen Rekordwert von über 139 Millionen an. Aber darin lag auch ein Problem: In der Logik des zwischen Stadt und Stadtwerken (DSW21) geschlossenen Vertrags wuchs mit jedem Sozialticket mehr auch der Subventionsbedarf aus dem kommunalen Haushalt.

Dass dabei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, schwant mittlerweile auch so manchem Lokalpolitiker. Gegen die von den Stadtwerken ins Feld geführten Zahlen spricht schon der nor­male Menschenverstand - es ist niemand plausibel zu machen, dass jeder Sozialticket-Kunde vor Einführung der Fahrpreisermäßigung, sofern nicht ohnehin im Besitz einer Monatskarte, durch­schnittlich über 30 Euro im Monat für Bus&Bahn ausgegeben haben soll.

Die Art und Weise, wie die DSW21 bzw. die von ihr beauftragte private Firma Menschen nach ihren früheren Gewohnheiten befragte, war so dilettantisch, dass selbst andere Verkehrsunter­nehmen darüber öffentlich mit spöttischen Bemerkungen herzogen (so geschehen bei einer Land­tagsanhörung im April 2009).

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Bislang gilt das Angebot für einkommensschwache Haushalte nur bis Ende Januar 2010 – und das ist nicht mehr lange hin.

Zusammen mit dem Sozialverband Deutschland SoVD und dem verdi-Erwerbslosenausschuss haben wir deshalb die Dortmunder Parteien und Ihre OB-Kandidaten gefragt: Wie haltet Ihr es mit dem Sozialticket nach den Kommunalwahlen? Und wir haben dabei schon im vornherein darauf hingewiesen, dass uns finanzielle Ausflüchte nicht interessieren.

Alle Angeschriebenen haben auf unseren Offenen Brief geantwortet, aber das was sie uns schrieben, hat uns z.T. wenig gefallen:

  • Die FDP (Herr Kauch) plädiert für eine Offenlegung der mit dem Sozialticket verbundenen Haushaltsbelastungen und hält einen Abgabepreis von 30 € für gerechtfertigt.

  • Herr Pohlmann wie auch die CDU möchten das Geld lieber woanders hinstecken, in Maß­nahmen zur Verbesserung der Bildungsangebote oder in die allgemeine Haushaltskonsoli­dierung. Die mitgelieferten Erklärungen sind geradezu peinlich. Ausgerechnet die CDU spielt sich als Anwalt der kleinen Leute auf!

  • Auch die SPD eiert in ihrer Stellungnahme herum. Sie beteuert zwar, am Sozialticket fest­halten zu wollen, plädiert aber, solange es kein landes- oder wenigstens verbundweites Sozialticket-Angebot gebe, für eine „Neugestaltung“ der Ticket-Konditionen. Eine Preisan­hebung auf 27,50 €, mit anschließenden jährlichen Anpassungen, sei für die SPD-Fraktion „denkbar“. Ähnlich argumentiert Herr Sierau, Kandidat der SPD, in seinem gesonderten Schreiben.

  • Uneingeschränkte Unterstützung erfuhren wir nur von der Partei Die Linke, vom Linken Bündnis Dortmund, der Partei Bündnis 90/Die Grünen sowie deren OB-Kandidaten Mario Krüger. Doch deren Sitzzahl im Rat dürfte auch zusammengenommen nach den kommenden Kommunalwahlen nicht ausreichen, um den Fortbestand zum Preis von 15 Euro sicher­zustellen.

(vgl. die Auszüge am Ende der Seite, der vollständige Wortlaut der Antwortschreiben ist hier nachzulesen)


Wir müssen uns also darauf vorbereiten, dass versucht werden wird, das Sozialticket ab Februar 2010 erheblich zu verteuern.

Hat ein Monatsticket zum Preis von 27,50 € (SPD) oder 30 € (FDP) das Etikett Sozialticket noch verdient?

Wir meinen, nein. Wenn dem Alg II-Empfänger oder dem Bezieher von Leistungen nach SGB XII (Grundsicherung bzw. Sozialhilfe) auch nach offizieller Lesart nur knappe 15 Euro für Bus &Bahn zur Verfügung stehen, einschließlich Regional- und Fernverkehr, dann müsste der Preis des kommu­nalen Sozialtickets unserer Ansicht nach eher noch gesenkt werden. Am korrektesten wäre ein Null­tarif für Bus und Bahn innerhalb der Stadt.

Wir hören die Parteien, die uns die Hartz-Gesetze und die daraus resultierende Lohndrückerei und Verarmung beschert haben, förmlich schon lauthals aufjaulen: Was, Nulltarif? Wer soll das be­zahlen? Was würde der Regierungspräsident sagen? - Das Geld für den Flughafen oder für den Kauf von weiteren RWE-Aktien, im Wert von bis zu 100 Mio. €, das haben sie schon. Aber wenn schon keine Preissenkung, dann sollte der Kreis der Sozialticket-Berechtigten wenigs­tens geöffnet werden

  • für die, deren Haushaltseinkommen sich nur knapp über den Regelsätzen nach SGB II / SGB XII bewegt (auch: Haushalte mit Kinderzuschlag nach Bundeskindergeldgesetz) oder die gehalten sind, vor Bewilligung einer Leistung zunächst ihr restliches Vermögen für den Lebensunterhalt zu verbrauchen, und auch

  • für die, die zwar theoretisch einen (Rest-) Anspruch auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII hätten, diesen aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht in Anspruch nehmen.

Gleichzeitig ist im Sinne einer größeren Flexibilität für die Betroffenen künftig von einer Abo-Lösung abzusehen. Diese Nachbesserungen fordern wir schon seit Bekanntwerden der ersten Pläne der rot-grünen Rathauskoalition für ein Dortmunder Sozialtickets. Wie man die neue Einkommens-obergrenze ausgestaltet, ob in Form eines prozentualen Aufschlags auf die Regelsätze (wie in Köln) oder auf Grundlage einer eigenen Formel (wie in Leipzig), ist zunächst einmal nachrangig.

Eine Anhebung des Abgabepreises kommt aber auf keinen Fall infrage. Gerade der Erfolg des Sozialtickets in den letzten 1 ½ Jahren beweist, wie groß der Bedarf nach Fahrpreisvergünstigungen ist. Dabei wurde seitens der DSW noch nicht mal Werbung für das Angebot gemacht, sondern diese ausschließlich der Stadt Dortmund überlassen! Vielen Mitbürgern fehlt schlicht das Geld, sich zu üblichen Preisen mit Bus&Bahn zu bewegen. Und haben es sich zur Gewohnheit gemacht, sich auf die allernotwendigsten Touren zu beschränken, schwarzzufahren oder die Wege bei Wind und Wetter zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen (auf ein Auto können sie meist ohnehin nicht zurückgreifen). Eine so reduzierte Mobilität bedeutet: Fahrten ins Grüne fallen flach – und sei es nur in den Westfalenpark -, die sozialen Kontakte leiden, an einer Teilnahme am allgemeinen Leben der Stadt ist nicht mehr zu denken. Nur das Allernötigste eben. Das dürfen wie nicht hinnehmen

„Mobil sein, jeden Ort erreichen zu können, den man zum normalen Leben braucht, ist ein soziales, kulturelles und wirtschaftliches Grundrecht jedes Menschen.“ Dieser Satz aus dem Schreiben der Linkspartei spricht uns aus dem Herzen. Wir werden versuchen, die Unterstützung möglichst vieler Dortmunder Gruppen und Organisationen zu gewinnen, um gemeinsam die nach den Wahlen dro­hende Preiserhöhung zu verhindern.

Löchert Eure Kandidaten bei den Kommunalwahlen, wie sie es mit dem Sozialticket halten! Lasst Euch nicht mit fadenscheinigen Erklärungen abspeisen!

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!
 

„Selbstverständlich soll es in Dortmund auch über den Februar 2010 hinaus ein vergünstigtes Sozialticket geben. Dann ist der Modellversuch nämlich auszuwerten und die Rahmenbedingungen für das Sozialticket neu zu gestalten.“ (Fraktionsvorsitzender E. Prüsse in einer Pressemitteilung der SPD-Fraktion v. 25.5.2009)

„Hinsichtlich des Sozialtickets wohnen 'zwei Seelen in meiner Brust'. Ich verkenne nicht, daß es Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt gibt, die auf ein Sozialticket angewiesen sein könnten (z.B. alleinerziehende Mütter). Auf der anderen Seite frage ich mich, was wir dem Niedriglohnempfänger sagen, der sich jeden Morgen aus dem Bett quält, zur Arbeit geht, am Ende des Monats 800,00 oder 900,00 € netto nach Hause bringt und sein Ticket voll bezahlen muß?“ (aus: Schreiben von Herrn Pohlmann, OB-Kandidat von CDU und FDP, vom 20.5.2009)

SPD wie CDU verweisen in ihren Antworten u.a. darauf, dass Sozialtickets anderenorts wesentlich teurer seien und der jetzige Preis von 15 € für Dortmund auf Dauer nicht zu stemmen sei. Man ahnt förmlich, dass die Dortmunder Öffentlichkeit auf eine isolierte Kostendiskussion fixiert und so getäuscht werden soll. Doch der Vergleich hinkt ohnehin. 

Zum Beispiel Köln: Hier bleibt unerwähnt, dass das Niveau der normalen Fahrpreise im VRS wesentlich höher liegt als im hiesigen Verbund VRR. Betrachtet man die nominelle Differenz zwischen den Abgabepreisen für die Kölner Sozialtickets und den regulären Preisen der  entsprechenden Monats- bzw. Vierertickets,  so kommt man für Köln auf ganz ähnliche Spannen wie in Dortmund. Für den Zeitraum April bis Dezember 2008 betrug das Gesamtvolumen der in den verkauften Sozialtickets enthaltenen Differenzbeträge 6,1 Mio. € (zur Erinnerung: in Dortmund für 11 Monate in 2008: 4,9 Mio. €).

Aus der rechnerischen Differenz von 6,1 Mio. Euro blieb jedoch für die Stadt Köln nur eine Restbelastung von 0,8 Mio. Euro übrig! Weniger als eine Million Euro musste die Sozialverwaltung der Stadt Köln somit 2008 in die Hand nehmen, um 160.000 Monatstickets und weitere 160.000 preisreduzierte Vierertickets für einkommensschwache BürgerInnen zu subventionieren! Da kommen uns die von den hiesigen Stadtwerken reklamierten Mindereinnahmen schon reichlich spanisch vor.

Will heißen: Aus unserer Sicht sind die Ausgleichszahlungen der Stadt in Höhe von 4,9 Mio. € für 2008 und geschätzten 7 Mio. € für 2009 maßlos überzogen.

Diesen Text als pdf-Datei zum ausdrucken

Sozialforum Dortmund, 15.07.2009

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