Benutzerspezifische Werkzeuge
Sie sind hier: Startseite über uns SoFoDo-Publikationen Redebeiträge / Referate Beitrag des Sozialforums Dortmund zum Antikriegstag 2004

Beitrag des Sozialforums Dortmund zum Antikriegstag 2004

In der Einladung, hier im Namen des Sozialforums zu Euch sprechen zu dürfen, sehe ich den Ausdruck unserer gemeinsamen Überzeugung: Kriegspolitik und Sozialabbau sind zwei Seiten ein- und derselben Medaille ... --- Rede von Wolf Stammnitz (Sozialforum Dortmund)

In der Einladung, hier im Namen des Sozialforums zu Euch sprechen zu dürfen, sehe ich den Ausdruck unserer gemeinsamen Überzeugung: Kriegspolitik und Sozialabbau sind zwei Seiten ein- und derselben Medaille.
Und zwar zuallererst natürlich so, daß die Milliarden für Panzer, Kampfhubschrauber und Truppentransporter bei den Sozialkassen und Schulen fehlen. Natürlich, das ist das kleine 1x1. - Dafür ein aktuelles Beispiel: Wenn es den maßgebenden Kreisen in unserem Staat ernsthaft darum ginge, Konsequenzen aus der PISA-Studie zu ziehen, warum sollte es dann in diesem reichen Land nicht möglich sein, die Schulklassenstärken z.B. auf das Niveau von Finnland zu senken, nämlich auf 20 Schüler und Schülerinnen je Lehrkraft. Das würde zugleich Arbeit für 230.000 zusätzliche Lehrkräfte schaffen. Das sind nur ein paar Tausend weniger als die komplette Mannschaftsstärke der gesamten Bundeswehr. Das kleine 1x1, wie gesagt, aber auch schon mehr als das, nämlich die Frage: Was ist diesem Deutschland wichtiger, Militär oder Bildung? - Der Verteidigungsminister beantwortete die Frage soeben mit der Ankündigung weiterer Bundeswehreinsätze, nun auch in Afrika. Also müssen wir weiter fragen: Warum unterscheidet dieses Deutschland sich da so von Finnland und vielen anderen Staaten? Und: Wollen wir dieses Deutschland so?
Die Aufrechnerei Soldaten gegen Lehrer, Kampfhubschrauber gegen Ganztagsschulen könnte man noch für eine Milchmädchenrechnung halten - wäre da nicht noch ein tieferer, wesentlicherer Zusammenhang zwischen Krieg und Sozialabbau. In diesem Zusammenhang erweist sich unser Wirtschaftsminister und Arbeitsminister Clement als der eigentliche Kriegsminister. Clement begründete die Hartzreformen des Arbeitsmarktes u.a. so: "Entweder wir raffen uns auf und nehmen den Wettbewerb mit anderen Weltregionen an, oder wir werden ein Fall für eine Übernahme." Natürlich ist das halb gelogen, weil Deutschland selbst schon wieder zum Herausforderer der anderen Großmächte aufgestiegen ist - aber sehen wir von dieser Verharmlosung des deutschen Expansionsdrangs mal ab, so steckt in diesem Satz von Clement das ganze große 1x1 der heutigen Kriegsführung, Rüstungsproduktion und Kriegsvorbereitung im Inneren der Gesellschaft drin. Dieser Satz bedeutet: Der globale Wettbewerb, die Globalisierung des Kapitals gehorcht der Logik: Fressen - oder gefressen werden. Das ist es, wozu wir uns "aufraffen" sollen. Damit die Starken überleben, schlachten sie die Schwächeren. Und dies "Aufraffen" fördert und fordert Schröders und Clements ganze Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, nämlich: Wettbewerb statt Solidarität! Runter mit den Löhnen! Arbeitsdienst statt Tarifverträge! Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen, und ob er in seiner Wohnung bleiben kann, liegt künftig im Ermessen seines amtlichen Fallmanagers!
Meine Damen und Herren, das ist praktizierter Notstand in abertausend Fällen, Hartz IV erweist sich als Notstandsgesetz, Hartz IV ist nicht nur Verarmung per Gesetz, sondern Teil der Zurichtung der ganzen Gesellschaft auf das Fressen, um nicht gefressen zu werden. Hartz IV ist Krieg nach innen. Wieweit dieser Zerfallsprozeß und Verfallsprozeß unserer Gesellschaft schon gediehen ist, bezeugten dieser Tage Medienberichte, nach denen eine Mehrheit der Westdeutschen es richtig findet, wie mit Hartz IV der Reichtum der Oberen Zehntausend auf Kosten des unteren Drittels der Bevölkerung gemästet wird.

Diese Zurichtung der Gesellschaft besorgen auch willige Oberbürgermeister wie unser Herr Langemeyer, die den Raubzug nach innen durchorganisieren und propagandistisch absichern. Auch da war es die Kehrseite seiner schamlosen Unwahrheiten über Hartz IV, als dieser OB vor zwei Jahren die Bundeswehr vor dem Rathaus auffahren ließ und sie dort nicht nur als "bedeutenden Arbeitgeber" begrüßte, sondern offen bekannte: "Wer in heutiger Zeit den Frieden sichern will, kommt an militärischen Einsätzen nicht vorbei." - Das sollten wir ihm am 26. bei der Kommunalwahl ebenso wenig vergessen wie seine Unwahrheiten über Hartz IV.

So bringt uns dieser Antikriegstag erneut zum Bewußtsein: Uns zwingt viel mehr zum Kampf gegen Hartz IV und Agenda 2010, viel mehr als daß wir nicht in Armut versinken wollen. Das ist Teil unserer Menschenwürde, aber zu unserer Menschenwürde gehört auch, daß wir in Frieden mit einer friedlichen Welt leben wollen. Darum stehen wir hier gemeinsam gegen das globalisierte Fressen oder Gefressen werden. Unsere Globalisierung geht anders, nämlich so: Wenn wir hier unsere sozialen Rechte und Errungenschaften verteidigen, erleichtern wir zugleich Hunderten Millionen von Armen auf der ganzen Welt ihren Kampf um ein menschenwürdiges Leben. - Wenn wir aber unsere Sozialräuber gewähren lassen, geben wir ihnen noch mehr Mittel in die Hand, Not und Ausbeutung auch über andere Länder zu bringen.
Ein sozialdemokratischenr Verteidigungsminister prägte den berüchtigten Spruch, Deutschland müsse heute am Hindukusch verteidigt werden. Liebe Freunde und Freundinnen, wir haben gute Gründe, diesen Spruch umzukehren: Laßt uns den Hindukusch, laßt uns Afrika und die Welt auch vor dem Dortmunder Arbeitsamt verteidigen.

Artikelaktionen