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Zur Einführung eines Sozialtickets in Dortmund

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Offener Brief des Aktionsbündnisses „Sozialticket zum Nulltarif auf Dortmund-Pass“ an die Fraktionsgeschäftsstellen und Ratsmitglieder von SPD, "Bündnis 90/Die Grünen im Rathaus", CDU, FDP/Bürgerliste und "Die Linken im Rat"

Dortmund, den 03.12.2007


Sehr geehrte Damen und Herren,

das Aktionsbündnis „Sozialticket zum Nulltarif auf Dortmund-Pass“ begrüßt, dass es nach jahrelangen Bemühungen nun offenbar doch zur Einführung eines ermäßigten Tickets für Einkommensschwache in Dortmund kommen soll.Wir begrüßen auch, dass mit dem von den Mehrheitsfraktionen im Rat angepeilten Preis von 15 Euro der Versuch erkennbar ist, sich an der realen Lebenslage der Betroffenen zu orientieren, denen mit dem Hartz-IV-/SGB-XII-Regelsatz von der Bundespolitik gerade einmal 14,11 Euro monatlich für insgesamt alle „fremden Verkehrsdienstleistungen“ zugestanden wird  (für privaten individuellen Verkehr im übrigen lediglich 1,69 Euro für „Fahrräder u. Zubehör“, für PKW-Fahrten gar nichts).

Wir müssen aber kritisieren, dass dieser Ansatz auf halber Strecke stecken bleibt. Selbst  ein auf 15 € verbilligtes Monatsticket wird nicht ausreichen, um Hartz-IV- und Grundsicherungsempfänger/innen die räumliche Mobilität als Voraussetzung für soziale und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Wird der zur Verfügung stehende Betrag von 14,11 Euro bereits vollständig für den Stadtverkehr abgeschöpft, so bleibt den Betroffenen nicht ein müder Cent, um auch nur gelegentlich über die Grenzen der Stadt hinauszukommen!

Deshalb bleibt unser Standpunkt:  Eine wirklich angemessene Lösung kann bei ernsthafter Würdigung der sozialen und materiellen Situation der Betroffenen nur in der Einführung eines Nulltarifs für die Nutzung von Bus und Bahn innerhalb der Stadt bestehen!

Aus der Presseberichterstattung der letzten Woche ergeben sich für uns aber noch etliche weitere Ungereimtheiten und Fragen:       

1. Während die „Ruhr Nachrichten“ vom 29. November die Dortmund-Pass-Berechtigten als Zielgruppe benennt, heißt es in der „Westfälischen Rundschau“ vom gleichen Tage, dass nur Empfänger/innen von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld in den Genuss der Vergünstigungen kommen sollen.
Was stimmt denn jetzt? Was ist mit den übrigen DO-Pass-Berechtigten, etwa den Empfänger/innen der Grundsicherung nach SGB XII?

2. Der Dortmund-Pass wird nach den gegenwärtigen Regularien nur Denjenigen zugestanden, die einen Leistungsbezug nachweisen können. Was ist mit den Erwerbslosen, denen nur aufgrund von – durch die „Politik“ ansonsten nachdrücklich geforderten – Rücklagen für die Alterssicherung eine Leistung verwehrt wird? Und wie verhält es sich mit Menschen, die aufgrund von Niedrigeinkommen oder etwa niedrigem Alg-I-Bezug im Prinzip einen Anspruch auf ergänzendes Alg-II hätten, auf eine entsprechende Antragstellung aber verzichten – sei es aus Scham, sei es, um sich nicht der oft schikanösen Behandlung durch die ARGEs auszusetzen? Ähnliches ist auch bekannt und belegt für Anspruchsberechtigte nach SGB XII, etwa Rentner/innen mit Kleinstrenten.
Sollen alle diese Gruppen vom Dortmund-Pass und damit ggf. auch von dem „Sozialticket“ ausgeschlossen bleiben bzw. werden? Da war Dortmund mit den bis zum Inkrafttreten von „Hartz-IV“ geltenden Regeln für den Dortmund-Pass in sozialpolitischer Hinsicht schon mal weiter!

3. In den besagten „alten“ Konditionen für den Dortmund-Pass wurde u.a. durch eine 10-%-ige Anhebung der Anspruchsgrenzen auch der Tatsache Rechnung getragen, dass der Regelsatz in der damaligen Sozialhilfe (plus einmalige Beihilfen im Einzelfall) äußerst knapp bemessen war und soziale Teilhabe kaum ermöglichte.
An diesen Umständen hat sich seither nichts geändert. Insbesondere durch „Hartz-IV“ und Niedriglöhne sind heute noch weit mehr Menschen in Armut gestoßen worden. In den neuen sozialen Bewegungen hat sich inzwischen die Forderung nach Anhebung des Eckregelsatzes auf 500 € durchgesetzt, Teile der Gewerkschaftsbewegung haben sich dem angeschlossen (so etwa die GEW). Andere Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände - neuerdings auch der grüne Parteitag – fordern eine Anhebung auf mindestens 420 Euro. Wir verweisen im übrigen auf die Pfändungsfreigrenze von derzeit 989,99 €, also den Betrag, der bei einem Alleinstehenden nicht gepfändet werden darf. Wir fordern – auch auf dem Hintergrund des Projekts „Soziale Stadt“ – die Einkommensobergrenzen für den Bezug des Dortmund-Passes wieder deutlich anzuheben.

Wir bitten Sie um Befassung mit diesen Fragen – möglichst noch vor Einführung eines ermäßigten Tickets - und um Entscheidung im Sinne der betroffenen Dortmunderinnen und Dortmunder.    

Mit freundlichen Grüßen

Aktionsbündnis „Sozialticket zum Nulltarif auf Dortmund-Pass“
i.A. Heiko Holtgrave (Akoplan)
Sturmi Siebers  (Sozialforum Dortmund)

 

Antwort der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Dortmund:

Aktionsbündnis „Sozialticket zum Nulltarif auf Dortmund-Pass“
Herren Heiko Holtgrave und Sturmi Siebers

per email

Sozialticket, hier : Ihr Schreiben vom 03.12.07

Sehr geehrter Herr Holtgrave, sehr geehrter Herr Siebers,
wir haben Ihren Brief vom 03.12.07 zur Einführung eines Sozialtickets erhalten und aufmerksam gelesen. Gerne nehmen wir zu Ihren Ausführungen Stellung.

Zunächst möchte ich eine grundsätzliche Einschätzung zur Einführung des Sozialtickets in Dortmund abgeben. Mit der Einführung eines Sozialtickets betreten wir in der Stadt Dortmund sozialpolitisches Neuland. Nur wenige Städte in Deutschland überhaupt bieten ein Sozialticket an. Der Preis für ein solches Ticket liegt in diesen wenigen Städten gleich wohl höher als in Dortmund (z.B. Köln-Pass-Ticket für 25 €, oder Kassel mit 55 €). Der festgesetzte Preis in Höhe von 15 € für das Sozialticket in Dortmund erscheint daher im interkommunalen Vergleich sehr günstig. Die Sozialausgaben der Stadt Dortmund machen ein Drittel des Gesamtetats aus.In Zeiten knapper Kassen darf die Einführung eines vergünstigten Sozialtickets, dass voraussichtlich Kosten zwischen drei und vier Millionen Euro verursachen wird, als klares Bekenntnis der SPD-Fraktion zur Sozialpolitik in Dortmund gewertet werden. Wir werten die Einführung des Sozialtickets als Erfolg und sozialpolitischen Meilenstein für Dortmund. Im folgenden möchte ich konkret auf die drei Fragekomplexe Ihres Briefes antworten.

Selbstverständlich soll das Sozialticket allen Dortmund-Pass Inhabern zur Verfügung gestellt werden. Der Berechtigtenkreis umfasst damit nicht nur die ALGII-Empfänger, sondern natürlich u.a. auch die Empfänger der Grundsicherung nach SGB XII. Damit liegen transparente Anspruchsvoraussetzungen vor, die ganz klar regeln, wer ein Sozialticket auf sehr unbürokratischem Weg erhalten kann, da weitere Anspruchsprüfungen nicht nötig sind. Die SPD-Fraktion hält dieses Verfahren für sehr praktikabel. Immerhin haben rund 60.000 Personen in Dortmund damit Anspruch auf ein Sozialticket. Theoretische Fallkonstellationen, in denen hilfebedürftige aus verschiedenen Gründen keine Sozialleistungen beantragen, können in der täglichen Praxis wohl kaum erfasst werden. Eine „schikanöse Behandlung“ von hilfebedürftigen Menschen durch die ARGE Dortmund können wir nicht erkennen und nehmen Ihre Ausführungen an dieser Stelle mit großem Unverständnis zur Kenntnis. Die SPD-Vertreter im Trägerausschuss der ARGE Dortmund setzen jedenfalls alles daran, die Kundenfreundlichkeit der ARGE Dortmund weiter zu verbessern und ich finde mit Erfolg.

Weiter sprechen Sie in Ihrem Brief die damalige 10%-Regelung zum Dortmund-Pass an. Mit der Zusammenführung der Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zum ALGII mussten neue Rahmenbedingungen für den DO-Pass entwickelt werden. Unter der Voraussetzung, dass der Regelsatz im SGBII im Vergleich zum BSHG mehr als um 10% angehoben wurde und der Personenkreis der Anspruchsberechtigten im Bereich der Arbeitslosenhilfe deutlich ausgeweitet wurde, konnte die damalige 10%-Regelung sachlich begründet entfallen. Im übrigen ist es in der tatsächlichen Lebenswirklichkeit wohl immer sehr schwierig, prozentuale Grenzen bei sozialen Ansprüchen zu setzen, da es immer Menschen gibt, die mit ihrem  knappen Einkommen gerade über der festgesetzten Bedarfsgrenze liegen.

Wir halten den eingeschlagenen Weg der Bundesregierung zur Überprüfung der Regelsätze im SGBII und SGBXII auf ihre Existenzsicherheit für richtig. Es zeichnet sich bereits ab, dass einmalige Beihilfen für Kinder in Form von Sachleistungen (z.B. Schulbedarf oder Mittagsverpflegung) zukünftig eingeführt werden und die Regelsätze nach transparenten Kriterien kontinuierlich angepasst werden sollen.

Der Rat der Stadt Dortmund wird sich in seiner Sitzung am 13.12.07 mit dem Doppelhaushalt 2008/2009 befassen. Dazu liegt ein gemeinsamer Haushaltsantrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Dieser Antrag begrüßt die Absicht der DSW21 ein Sozialticket im Rahmen eines Modellprojektes zum Preis von 15 € ab 01.01.08 in Preisstufe A in Dortmund einzuführen. Eine entsprechende Arbeitsgruppe bei DSW21 ist in diesen Tagen dabei, die organisatorische Umsetzung zum Jahresbeginn zu besprechen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass das Sozialticket baldmöglichst an den Start geht.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Ernst Prüsse, Fraktionsvorsitzender, 10.12.07

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