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10 Jahre Hartz IV sind genug!

Gemeinsames Flugblatt von Sozialforum und verdi-Erwerbslosenausschuss zum bundesweiten Aktionstag am 16.4.2015

10 Jahre Hartz IV sind genug. Die Regierung aber plant weitere Verschärfungen des SGB II (Arbeitslosengeld 2 bzw. Hartz IV) unter dem täuschenden Titel „Rechtsvereinfachungsgesetz“ - zum Beispiel:
 
Aufteilung der Regelsätze zwischen getrennt lebenden Eltern
Peters Eltern sind geschieden. Bisher bekommt sein Papa für ihn an den Tagen Alg2, an denen Peter bei ihm ist. Zukünftig müsste sein Vater sich das Geld bei der Mutter holen (oder das Amt würde das Geld bei ihr abziehen). Das Umgangsrecht würde dadurch extrem belastet.
 
Geringere Freibeträge bei Erwerbstätigkeit und Ehrenamt
E. hat einen Job als Übungsleiter beim DLRG mit 150 € mtl. und jobbt zusätzlich im Markt für 450,--€. Bisher wurden 200 € Grundfreibetrag plus 80 € (20%-Freibetrag) von der Einkommensanrechnung ausgenommen. Durch seine Arbeit hat er also 280,--€ mehr als ein Nichterwerbstätiger. Zukünftig wären nur noch 150 € Grundfreibetrag (Höhe der Ehrenamtsentschädigung) plus 90 € anrechnungsfrei, zusammen also 240 €. E. erhielte somit 40 € weniger an Leistung als bisher.
 
Einführung einer Angemessenheitsgrenze für die Bruttowarmmiete
Frau R. erhält bisher Geld für Miete und Geld für Heizung vom Amt. Nach einem strengen Winter wird eine Heizkostennachzahlung fällig; das Amt übernimmt diese Kosten.
Zukünftig: Frau R. hat eine Wohnung gefunden. Der Vermieter fordert eine recht hohe Miete. Da er die Heizkostenpauschale aber recht niedrig angibt („das ist hier alles sehr energieeffizient“), werden die Gesamtkosten („Bruttowarmmiete“) als angemessen betrachtet. Wenn dann eine saftige Heizkostennachforderung kommt, gibt das Amt dafür kein zusätzliches Geld.
 
Strengere Rückforderung bei „Erhöhung der Hilfebedürftigkeit“
A. hat mit dem Geld für Miete Stromschulden bezahlt (deren Übernahme das Jobcenter zuvor abgelehnt hat), um einer Stromsperre zu entgehen. Sie braucht jetzt Geld für Miete.
B. hat von Hartz IV eine Geldstrafe gezahlt, um der Haft zu entgehen, und braucht vom Amt Geld zum Leben.
In beiden Fällen kommt es künftig zu strengeren Rückforderungen.
 
Beschränkung der Miete bei Zuzug aus anderer Stadt
D. ist ohne Genehmigung des Jobcenters aus einer anderen Stadt zugezogen. Die neue Miete ist 50 € teurer, liegt aber noch innerhalb der „Angemessenheitsgrenzen“. Bisher musste das Amt (aufgrund eines Urteils des Bundessozialgerichtes) die ganze neue Miete zahlen, nach geplanter Gesetzesänderung soll D. die 50,- € Mehrkosten selbst zahlen.

Gegen weitere Rechtsverschärfungen im SGB II!

 
 

Veranstaltung

Verdi Erwerbslosenausschuss und Sozialforum Dortmund:
Das "Rechtsvereinfachungsgesetz" - Vereinfachung oder Verschlechterung?
Referent: Helmut Szymanski, Sozialarbeiter, Dozent für Sozialrecht
Donnerstag 16.04.2015 um 18:30 Uhr
im Café Aufbruch, Hintere Schildstr. 18, Dortmund Hörde
(Teilnahme kostenfrei, kein Verzehrzwang)
 
 

Wir fordern: 500 € „Eckregelsatz“

399,-- € monatlich gesteht die Bundesregierung seit Anfang 2015 Arbeitslosengeld 2 – Beziehern für den täglichen Bedarf zu. Angehörige, besonders Kinder erhalten noch weniger.
 
Das Beispiel Ernährung:
In allen Altersgruppen ist der Regelbedarf für Ernährung deutlich zu niedrig angesetzt: 7 bis 14-jährige brauchen mindestens 30 €, 15 bis 18-jährige 45 € und Erwachsene 28 € mehr.*
Nach einer Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung benötigen 15 bis 18-jährige monatlich 181,80 € für gesunde Ernährung. Im Regelbedarf sind für Hartz IV Bezieher dieser Altersgruppe aber nur 136,88 € vorgesehen.*
*Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung 2009, zugrunde gelegt ist der Mittelwert der Preise von Discountern und Supermärkten. Dabei wird unterstellt, dass gekaufte Lebensmittel zu 100% verzehrt werden und nichts verdirbt.
HUNGERN IST KEINE ALTERNATIVE !
 
Das Beispiel Nahverkehr:
Das sogenannte VRR-Sozialticket, schlecht genug ausgestattet, kostet mittlerweile über 30 €.
Der Regelbedarf enthält jedoch max. 25,14 € an Fahrkosten für Alleinstehende (Erwachsene) und sogar nur 13,93 € für 14– bis 17-Jährige für Nahverkehr, Reisen und Verwandtenbesuche (wobei die Kosten eines Fahrrads und von Ersatzteilen bereits inbegriffen sind). Das entspricht monatlich 5 bis 10 Einzel-Fahrten im Stadtgebiet Dortmund. Fahrten darüber hinaus sind kaum noch möglich.
SCHWARZFAHREN IST KEINE ALTERNATIVE !
 
Das Beispiel Haushaltsstrom:
Die Durchschnittskosten betragen 43,02 € im Monat (für Alleinstehende).* Der Regelbedarf sieht jedoch höchstens 33,36 € vor. Differenz: 9,66 € monatlich bzw. 116,-- € jährlich (entspricht 29 %).
Folge: Über 350.000 Haushalte bundesweit sind wegen Schulden ohne Strom. Energieeffiziente Kühlschränke oder Waschmaschinen sind finanziell nicht drin!
ABGEKLEMMT SEIN IST KEINE ALTERNATIVE !
 

Wir fordern: Abschaffung der Sanktionen

Jeden Monat wird in diesem Land zigtausenden Erwerbslosen mittels Sanktionen das Existenzminimum gekürzt oder sogar gestrichen, weil sie Forderungen der JobCenter nicht erfüllt haben oder weil ihnen dies unterstellt wird.
Gleichzeitig sind – auch 10 Jahre nach Einführung von Hartz IV – gravierende Missstände in den JobCentern zu beklagen. Fehlerhafte Entscheidungen und unzureichende Beratung führen häufig zu großer Not bei den Betroffenen.
Führen diese Missstände bereits im „normalen“ Hartz-IV-Alltag zu Problemen, so wirken sie sich im Fall von Sanktionen besonders gravierend aus: Da werden z.B. Anhörungen, die zur Aufklärung von Sachverhalten vorgesehen sind, nicht durchgeführt und willkürlich das Existenzminimum gekürzt oder gleich ganz gestrichen.
Ist schon der rigide Sanktionsparagraf mehr als problematisch, so führt die katastrophale Personalsituation in den JobCentern dazu, dass die Sanktionspraxis von Rechtswidrigkeit und Willkür geprägt ist.
Von 61.498 Widersprüchen gegen Sanktionen bei Hartz IV wurden 22.414 vollständig oder teilweise zugunsten der Betroffenen entschieden. Das sind über 36 %. (Quelle: Bundesarbeitsministerium)
In 42 % der Verfahren gegen Sanktionen gaben die Sozialgerichte dem klagenden Arbeitslosen Recht. Von 6.367 entschiedenen Klagen wurden 2.708 vollständig oder teilweise zugunsten der Betroffenen entschieden. Quelle: Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei.
 
Aktuelle Ergänzung:
Im jahre 2014 wurden seitens der JobCenter knapp über 1 Million Sanktionen gegen Erwerbslose verhängt. Das berichteten Teile der Presse am gestrigen 15. April. In über 700.000 Fällen handelte es sich um sog. Meldeversäumnisse. Die Jobcenter bestrafen also munter weiter wie in den Jahren zuvor. Für die betroffenen Leistungsempfänger bedeuteten die Sanktionen durchschnittlich knapp hundert Euro weniger im Portemonnaie.
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