Brief des Koordinierungskreises von Attac zur Kooperation mit dem DGB
Der Attac-Koordinierungskreis informiert in einem Brief an die attac-Mitglieder und Mitgliedsorganisationen "über Erfolge und Probleme in der Zusammenarbeit mit dem DGB" zu den europaweiten Aktionstagen am 2. und 3. April '04.
Liebe Freundinnen und Freunde,
der Europäische Gewerkschaftsbund hat den Vorschlag für die Europäischen Aktionstage am 2./3. April aufgegriffen, den die sozialen Bewegungen beim Europäischen Sozialforum gemacht hatten. Attac hat das begrüßt, und es ist uns sehr wichtig, die denkbar größte Breite im Protest gegen die Politik des Sozialkahlschlags der Bundesregierung zu versammeln. Wir sind davon überzeugt, dass sich in diesem Land nur etwas ändern wird, wenn es gelingt, gemeinsam in einem breiten Bündnis von sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, kritischen Kräften in der Kirche, Sozialverbänden und vielen anderen Organisationen Druck zu entfalten. Deshalb sind wir an einer solidarischen Zusammenarbeit gerade mit den Gewerkschaften interessiert.
Dass der DGB die Aktionstage unter vollem Einsatz seiner Ressourcen durchführt, ist eine bedeutende Entwicklung. In den über 100 Jahren enger Verbindung zwischen SPD und Gewerkschaften mobilisieren sie erstmals gegen eine SPD-geführte Regierung. Dabei haben sie begonnen sich zu sozialen Bewegungen und ihren Themen zu öffnen. Ein solcher Prozess steckt naturgemäß voller Probleme und Widersprüche. Niemand kann erwarten, dass der DGB innerhalb weniger Monate einen Bruch mit seiner Vergangenheit vollziehen und sich aus einer in Jahrzehnten gewachsenen politischen und Organisationskultur lösen könnte.
Diese Probleme zeigen sich jetzt auch in der Vorbereitung der Aktionen. Zwar gibt es auch viele Beispiele gut gelingender Zusammenarbeit und selbstverständlich bestehen eine ganze Reihe von Arbeitskontakten zwischen DGB, Einzelgewerkschaften und Attac, die ausgesprochen erfreulich und erfolgreich verlaufen. Aber die Situation ist gleichzeitig durch höchst intransparente Entscheidungsprozesse, ängstliche Kontrollversuche und einige problematische Beschlüsse gekennzeichnet.
Es gibt nach wie vor keine definitive Klarheit darüber, welche RednerInnen auf den Kundgebungen am 3. April in Berlin, Köln und Stuttgart sprechen werden. Lediglich je ein Redner aus den deutschen Gewerkschaften (Sommer, Peters, Bsirske) und der europäischen Gewerkschaftsbewegung ist auf Grund eines Beschlusses des DGB- Bundesvorstandes bisher "gesetzt".". Des Weiteren werden von unterschiedlichen Gesprächspartnern wechselnde Namen für RednerInnen aus Kirchen, Sozialverbänden, Studierenden, Attac, Erwerbslosen genannt. Wirklich entscheiden scheint nichts zu sein und niemand weiß, wann das geschieht und von wem. Ohne den DGB-Bundesvorstand wird kein Beschluss gefasst werden, aber die lokalen Bündnisse und DGB- bzw. Einzelgewerkschaftsstrukturen agieren z.T. mit deutlich formulierten eigenen Vorstellungen.
Daran zeigt sich, dass der Prozess und viele Einzelheiten innerhalb der Gewerkschaften umstritten sind. Dementsprechend gibt es mitunter höchst unterschiedliche Verhaltensweisen zwischen Einzelgewerkschaften, Untergliederungen und einzelnen Personen. Das führt zu internen Widersprüchen und Lähmungen, die sich nicht so einfach handhaben und lösen lassen. Bei allem Verständnis für diese Probleme befürchten wir, dass dies den Erfolg der Aktionstage beeinträchtigt. Die Mobilisierung könnte deutlich hinter den Möglichkeiten zurückbleiben, wenn nicht bald bessere und transparentere Formen der Kooperation und Absprache gefunden werden.
Attac erwartet, dass soziale Bewegung und Globalisierungskritik auf allen drei Kundgebungen vertreten sein müssen. Aus Einzelgewerkschaften und DGB-Untergliederungen ist zu hören, dass sie beides auf jeden Fall verhindern wollen. Wir haben selbstverständlich bereits Vorschläge gemacht, wer für Attac sprechen soll.
Besonders schwierig ist die Situation in Köln; das landesweite Bündnis für eine Soziale Bewegung wird nur indirekt über die Mitgliedsorganisation ver.di informiert, unmittelbare Kontakte des DGB zur sozialen und globalisierungskritischen Bewegung bestehen auf Landesebene nicht. An partnerschaftliche Vereinbarung ist hier nicht zu denken. Dort scheint bisher auch eine Planung lediglich für eine Kundgebung ohne organisierten Demozug zu existieren.
In Berlin soll die Auftaktkundgebung um 9.30 Uhr beginnen. Das beeinträchtigt die Mobilisierung in den Orten erheblich, die weite Anfahrtswege haben. Wir wünschen uns einen deutlich späteren Termin, um eine erfolgreiche Mobilisierung zu erreichen. Inzwischen gibt es zwar Signale, dass man de facto später anfangen könnte, aber jetzt ist bereits großer Unmut entstanden.
Lediglich aus Stuttgart ist nicht von größeren Problemen zu berichten, nach internen Informationen scheint dort die Programmplanung sehr weit gediehen zu sein.
Insgesamt ist die örtliche Situation höchst unterschiedlich, aber wichtige Teile der Gewerkschaften tun sich sichtbar schwer mit einer offenen Mobilisierung. Diese benutzen in der Regel nur ihre hauptamtlichen Strukturen und zeigen wenig Neigung zu breiter Kooperation, die vor Ort auch zu politischer Dynamik führt. Hier wäre auch ein wichtiges Betätigungsfeld für die Attac-Gruppen und Mitgliedsorganisationen. In allen Orten müssen sich in den nächsten Wochen breite Bündnisse für die Mobilisierung zu den drei Demonstrationen bilden. Nutzt dazu eure Kontakte vor Ort und macht verstärkt deutlich, dass diese Demos nur mit einem breiten Bündnis zum Erfolg führen können.
Wir haben auch Zweifel, ob das Erscheinungsbild der Demonstrationen selbst das Anliegen und den politischen Gegner deutlich genug benennen wird: Es geht um die Verantwortung der rot-grünen Bundesregierung für eine durch und durch falsche und nicht verbesserungsfähige Politik. Die ganze Richtung stimmt nicht, die Agenda 2010 muss weg. Attac selbst wird das durch Material und Auftreten auf den Veranstaltungen deutlich machen.
Lasst uns gemeinsam den 2. und 3. April zu einem Erfolg aller machen, die wissen und einfordern: Es ist genug da - für ein gutes Leben für alle!
Werner Rätz Pedram Shayar Sven Giegold (für den Attac-Koordinierungskreis)