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Wahlprüfstein 3: Realwertsenkung bei den Sozialleistungen?

Das Bundeskabinett hat eine Fortschreibung der gesetzlichen Regelsätze beschlossen, die weit unter der aktuellen Inflationsrate bleibt. Was halten Sie davon? - Das haben wir wenige Tage vor der Bundestagswahl einige der Dortmunder DirektkandidatInnen sowie die Kanzlerkandidaten Scholz und Laschet gefragt.


Das Bundeskabinett hat eine Fortschreibung der gesetzlichen Regelsätze beschlossen, die weit unter der aktuellen Inflationsrate bleibt. Was halten Sie davon? - Das haben wir wenige Tage vor der Bundestagswahl die wichtigsten Dortmunder Direktkandidaten und -kandidatinnen sowie die Kanzlerkandidaten Scholz und Laschet gefragt (über abgeordnetenwatch.de).

Unsere Frage an die Kandidaten hatten wir wie folgt begründet:

Während die Medien von einer Teuerungsrate von knapp 4 Prozent sprechen, hat das Kabinett letzte Woche auf Vorlage des BMAS eine Verordnung verabschiedet, nach der die Regelsätze nach SGB II und SGB XII zum 1. Januar 2022 um nicht mal 1 % angehoben werden sollen. Maßgeblich für die Berechnung dieser Veränderungsrate war die Preis- und Lohnentwicklung vom 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021.

Die Regelung für die Berechnungsweise (§ 28a SGB XII) enthält u.E. einen Konstruktionsfehler, der bei geringer Inflation nicht so sehr auffällt. Gibt es aber größere Aus­schläge bei den Preisen und/oder den Löhnen, so kommen diese erst mit 1 bis 2 Jahren Verzögerung bei den Leistungen an. Der Vorteil für die Regierungen: Mehrausgaben werden so immer um eine gewisse Zeit nach hinten verschoben. Für die Betroffenen ist es hingegen bitter, da die Preiserhöhung ja jetzt, und nicht erst im übernächsten Jahr, zuschlägt. Bei Lichte betrachtet stellt die für 2022 vor­gesehene Anpassung eine Realwertsenkung dar.

 

Hier die Antworten der KandidatInnen (in der Reihenfolge ihres Eingangs):

Klaus Wegener, CDU

Sie haben völlig recht, es handelt sich letztlich um eine Realwertsenkung. Das zeigt aber auch das ganze Problem unseres umlagefinanzierten Rentensystems. Der Staat kommt da an seine Grenzen, weil das System schon alleine aufgrund der demografischen Entwicklung nicht dauerhaft finanzierbar ist. Umso wichtiger wird daher die private und betriebliche Altersvorsorge. Ohne diese beiden zusätzlichen Säulen wird unser Rentensystem auf Dauer weder der Preisentwicklung, noch den allgemeinen Lebenshaltungskosten gerecht werden. Beides muss daher künftig fester Bestandteil zum umlagefinanzierten Rentensystem werden.

Keine Ahnung, wie dies Missverständnis kommt, aber hier hat Herr Wegener eindeutig das Thema verfehlt.

 

Roman Senga, FDP

Sozialhilfe ist zum Glück lediglich eine Grundsicherung, für eine hoffentlich niemals und wenn dann, hoffentlich nur sehr kurze Phase im Leben. 
Ich möchte mich als Bundestagsabgeordneter darauf konzentrieren, dass möglichst wenige oder noch viel lieber, gar keine Menschen mehr auf Grundsicherung angewiesen sind.

Au weia. Der Herr lebt offenbar in einer Art Parallelwelt. Die Antwort deckt sich übrigens wortgleich mit seiner Einlassung zu unserer Nachfrage zur Mobilitätsarmut von Hartz-IV-Empfängern...

 

Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen

Die Erhöhung der Regelsätze um in der Regel nur drei Euro (etwa auf 449 Euro für alleinstehende Erwachsene) ist bei weitem nicht ausreichend und liegt noch unterhalb der Preisentwicklung. Die Existenzgrundlage und die Würde aller Menschen muss besonders in Zeiten wie diesen gesichert sein. Wir Grüne fordern eine deutliche Anhebung der Regelsätze und die Einführung einer Garantiesicherung statt Hartz IV. Alle weiteren Infos dazu findest Du hier: https://www.gruene-bundestag.de/themen/soziales/hartz-iv-ueberwinden-garantiesicherung-einfuehren


Sabine Poschmann, (SPD-Kandidatin WK Dortmund II)

Wir sind der Auffassung, dass die Grundsicherung grundlegend überarbeitet werden muss. Daher wollen wir ein neues Bürgergeld entwickeln. Die Regelsätze im neuen Bürgergeld müssen zu einem Leben in Würde ausreichen und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen. Deshalb müssen wir die Kriterien zur Regelsatzermittlung weiterentwickeln und wir werden dabei die Betroffenen und Sozialverbände mit einbeziehen. Wir möchten, dass künftig eine kaputte Waschmaschine oder eine neue Winterjacke nicht mehr eine untragbare Last darstellen. Das Bürgergeld soll auch solche Anschaffungen abdecken können.

Die aktuell gesetzlich vorgeschriebene Methodik bietet jedoch keinen Entscheidungsspielraum zur Höhe des Regelsatzes. Daher werden die Inflationsrate und die höheren Preise des zweiten Halbjahres 2021 erst gemäß der aktuellen gesetzlich vorgeschriebenen Berechnung bei der Anpassung für 2023 miteinfließen.

Wir erkennen deutlich, dass es einer neuen Berechnungsmethode bedarf und werden diese in der nächsten Legislaturperiode vorantreiben.

Ein Versprechen. Wir sind gespannt.

 

Ann-Christin Huber, Die Linke

Natürlich empfinden wir als LINKE diese Erhöhung um 3€ (!) für einen Hohn! Ich bin für eine Überwindung von Hartz IV und Einführung einer Mindestsicherung von 1200€, die natürlich sanktionsfrei sein muss. Als Sofortmaßnahme würde ich mich für eine sofortige Erhöhung auf 1200€ einsetzen und danach eine Abschaffung von Hartz IV. Hartz IV ist ein Instrument, um die Arbeiter*innen unter Druck zu setzen, da sie JEDEN Job annehmen müssen, unabhängig von ihrem erlernten Beruf. So entwand (vermutlich: etwas) wird es mit uns als LINKE nicht mehr geben.

 

Jens Peick, SPD

Auf die Errungenschaft des Sozialstaates kann unser Land zurecht sehr stolz sein. Das grundlegende Merkmal dabei ist, dass die Menschen einen Rechtsanspruch auf eine soziale Absicherung haben, die ihnen ein menschenwürdiges Leben garantiert. Die Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII müssen den Menschen das Existenzminimum sichern. Wie in dem Beitrag zeigt sich jedoch, dass die beiden Sozialleistungen unter bestimmten Rahmenbedingungen, wie bei einer steigenden Inflation, die Sicherung des Existenzminimums nicht mehr garantieren können. Auch deshalb müssen wir unseren Sozialstaat weiter entwickeln, um ihn zukunftssicher und generationengerecht zu gestalten.

In dem geschilderten Beitrag könnte dies zum Beispiel durch eine stärkere Gewichtung der Lohn- und Preisentwicklung der letzten drei Monate geschehen. Auch die Einbeziehung seriöser Schätzungen der Lohn- und Preisentwicklung der kommenden drei Monate könnte zu mehr Gerechtigkeit und zur Sicherung des Existenzminimums beitragen.

Neben diesen wichtigen operativen Fragestellungen, müssen wir die Arbeitsämter und Jobcenter auch als Institutionen weiterentwickeln, die von den Menschen zuallererst als helfend und die entsprechenden Gesetze als gerecht und respektvoll wahrgenommen werden. Nach meiner Meinung werden wir als eine der ersten Aufgaben des neuen Bundestages die Reformierung der Hartz IV-Gesetze in dem genannten Sinne auf den Weg bringen müssen.

 

Nicht geantwortet haben uns bis heute Mittag (25.9.) Marco Bülow (Die Partei), Michael Depenbrock (CDU-Kandidat Wahlkreis Dortmund II) sowie die beiden Kanzlerkandidaten. 
Andere Dortmunder DirektkandidatInnen wurden von uns nicht angeschrieben.


Nachtrag am 11.10.2021

Von Marco Bülow ist heute doch noch eine Antwort eingegangen. Sie lautet:

Meine Abgeordnetentätigkeit endete mit der Wahl zum neuen Bundestag. Die Zeit bis zur Konstituierung des neuen Bundestages (26. Oktober) bin ich damit beschäftigt, die letzten Vorgänge abzuwickeln und meine Büros aufzulösen. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich weder berechtigt noch zeitlich in der Lage bin, Ihre Frage bzw. Ihr Anliegen jetzt noch zu bearbeiten.

Ich werde mich aber weiter politisch engagieren. Vor allem der Kampf für Transparenz, gegen Korruption und den einseitigen Profitlobbyismus wird dabei im Mittelpunkt stehen. Dafür habe ich Initiative LOBBYLAND (Initiative – Buch – Podcast) ins Leben gerufen. Wenn Sie diese unterstützen wollen, finden Sie alle weiteren Informationen unter: www.lobbyland.de

Über mein Engagement und meine Positionen können Sie sich - nach dem 26.10.21 - weiterhin auf den von mir betriebenen Accounts informieren:

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Zu meiner Zukunft habe ich auch ein Video gedreht: https://www.youtube.com/watch?v=bO4iUzyjMLQ

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