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Wahlprüfstein 2: Höhere Mindestlöhne und Abschaffung des Hartz IV-Systems

Was wollen Sie unternehmen, um der wachsenden Armut in Deutschland entgegenzuwirken? Schließen Sie sich unserer Forderung nach höheren Mindestlöhnen sowie einer Beseitigung des Hartz IV-Systems an? Das haben wir Anfang September einige der Dortmunder Direktkandidaten für den kommenden Bundestag gefragt.

 

Was wollen Sie unternehmen, um der wachsenden Armut in Deutschland entgegenzuwirken? Schließen Sie sich unserer Forderung nach höheren Mindestlöhnen sowie einer Beseitigung des Hartz IV-Systems an? Das haben wir Anfang September einige der Dortmunder Direktkandidaten für den kommenden Bundestag gefragt (über abgeordnetenwatch.de).

Unsere Frage an die Kandidaten hatten wir wie folgt begründet:

Hartz IV bedeutet für die Betroffenen Armut, gesellschaftliche Ausgrenzung und permanente Demütigung. Auch diejenigen, die noch einen Arbeitsplatz haben, sind im Falle der Arbeitslosigkeit nur 1 bis 2 Jahre von diesem System entfernt. Hartz IV wirkt daher auch als ständige Drohkulisse. Wir finden: Es reicht!

Während das Bankvermögen der Superreichen innerhalb eines Jahres um sagenhafte 9 Prozent angewachsen ist, sollen Menschen, die auf „Hartz IV“ angewiesen sind, mit einem monatlichen Regelsatz von 446 € plus Miete auskommen. Ein Betrag, mit dem sich ein menschenwürdiges Leben kaum bestreiten lässt. Ähnliches gilt auch für die Löhne der rund 7,7 Mio. Erwerbstätigen, die im Niedriglohnsektor festhängen.

Wir fordern daher eine deutliche Anhebung der Mindestlöhne, auf mindestens 13 Euro, und insgesamt Einkommen, die auch für die Miete reichen. Und die Ersetzung des menschenfeindlichen Hartz-IV-Regimes durch reguläre Versicherungsleistungen für die gesamte Dauer der Erwerbslosigkeit.

 

Hier die Antworten der Kandidaten (in der Reihenfolge ihres Eingangs):

 

Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen

Ökologie und Soziales gehören zusammen. Wir wollen neben einer starken Klimaschutzpolitik deshalb die Tarifbindung stärken, einen höheren Hartz IV-Regelsatz, die Erhöhung des Mindestlohns, Kinder vor Armut schützen und eine verlässliche Rente. Das alles ist längst überfällig.

Zu Deinen beiden konkreten Fragen:

Zu einer gerechten Gesellschaft gehört eine flächendeckend faire Vergütung. Doch davon sind wir weit entfernt. Frauen verdienen im Durchschnitt deutlich weniger als Männer. Manche Unternehmen suchen Wettbewerbsvorteile, indem sie die Löhne ihrer Beschäftigten drücken. Auch Leiharbeit und Werkverträge sind beliebte Methoden, um Personalkosten einzusparen. Das wollen wir verhindern. Der Mindestlohn ist zu niedrig und gilt nicht für alle. Den gesetzlichen Mindestlohn werden wir sofort auf 12 Euro anheben. Anschließend muss der Mindestlohn weiter steigen, um wirksam vor Armut zu schützen und mindestens der Entwicklung der Tariflöhne zu entsprechen. Die Mindestlohnkommission wollen wir reformieren und mit diesem Auftrag ausstatten. Die bestehenden Ausnahmen für Unter-18-Jährige und Langzeitarbeitslose werden wir abschaffen.

Wir werden darüber hinaus eine Garantiesicherung einführen und damit Hartz IV überwinden. Durch die Abschaffung der Sanktionen sorgen wir dafür, dass das Existenzminimum niemals unterschritten wird. Wir wollen ein selbstbestimmtes Leben in Würde mit sozialer und kultureller Teilhabe ermöglichen. Die Regelsätze heben wir deshalb deutlich an, in einem ersten Schritt um 50 Euro.

 

Roman Senga, FDP

Wir Freie Demokraten wollen die Minijob- und Midijob-Grenze erhöhen und dynamisch an den gesetzlichen Mindestlohn koppeln. Mit jeder Anpassung des Mindestlohns reduzieren sich heute die Stunden, die Beschäftigte im Rahmen eines Mini- beziehungsweise Midijobs arbeiten dürfen. Damit sind Mini- oder Midijobber von Erhöhungen durch die allgemeine Lohnentwicklung abgeschnitten. Das wollen wir ändern und so für mehr Leistungsgerechtigkeit sorgen.

Wir Freie Demokraten wollen bessere Hinzuverdienstregeln beim Arbeitslosengeld II (ALG II) beziehungsweise beim angestrebten Liberalen Bürgergeld. Die aktuellen Regeln sind demotivierend und sie belohnen kaum, die Grundsicherung durch eigene Arbeit Schritt für Schritt zu verlassen. Bessere Hinzuverdienstregeln ermöglichen aber genau das: Sie bilden eine trittfeste Leiter, die aus Hartz IV herausführt. Das Einkommen von Jugendlichen aus Familien, die ALG II beziehen, soll bis zur Höhe eines Minijobs gar nicht angerechnet werden. Junge Erwachsene sollen künftig nicht mehr für Forderungen des Staates haften, welche auf ein Verschulden der Eltern - wie beispielsweise das verspätete Anzeigen einer Erwerbstätigkeit der Eltern – beruhen.

 

Günstigere Hinzuverdienstregelungen und die Freistellung von Einkünften von Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen nehmen wir gern. Bei den geltenden Zumutbarkeitsbestimmungen, den Sanktionstatbeständen und den für ein halbwegs auskömmliches Leben viel zu niedrigen Regelsätzen soll es hingegen bleiben? Nein danke, Herr Senga!

Und was ist mit einer Anhebung der Mindestlöhne? Sie scheinen eher besorgt zu sein, dass Mini- und Midijobs als Instrumente der flexiblen Personalanpassung in der Hand der Arbeitgeber an Bedeutung verlieren könnten...

 

Daniel Staiger, Volt

Ich stehe hier zu 100% hinter unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl, an dem ich selbst auch in diesen Punkten mitgewirkt habe: Wir sehen einen massiven Reformbedarf beziehungsweise eine komplette Umstellung des Systems. Da dies allerdings nicht von heute auf morgen geht, möchten wir zunächst einige Änderungen am heutigen System vornehmen, um hier schnell für dringend notwendige Verbesserung zu sorgen. Hierzu zählt zum einen die Erhöhung der Sätze um 100 €, aber auch die Anhebung des Schonvermögens, sowie einen Stärkeren Fokus auf Anreize statt Sanktionen. Sehr wichtig ist auch, dass die mögliche Einkommen der Kinder/Jugendlichen nicht mit angerechnet werden.

Im Bereich Niedriglohnsektor möchten wir Mini-Jobs abschaffen und jeden Beruf direkt ins Sozialsystem integrieren. Einher geht ebenfalls ein Mindestlohn von 13 Euro mit einer automatischen Kopplung an die Inflation, wobei wir langfristig das Ziel eher bei einer höheren Tarifbindung sehen (min 75%). Ebenfalls fordern wir ein Ende des Ehegattensplittings, da dies sich sehr negativ auf die Sozialleistungen des Partners in Klasse 5 (meist Frauen) auswirkt und generell Abhängigkeiten fördert.

Den von Ihnen hier formulierten Forderungen kann ich mich daher anschließen.

 

Von Jens Peick, dem Kandidaten der SPD, Klaus Wegener, CDU, Marco Bülow, dem Kandidaten von Die Partei,und Ann-Christin Huber, Direktkandidatin der Linken, sind bis heute (13.9.) keine Antworten eingegangen. Bei den beiden Letztgenannten ist das vielleicht verständlich, weil die Positionen ihrer Parteien zu diesen Themen als bekannt gelten dürfen. Aber was ist z.B. mit Jens Peick?

Keine Antworten haben wir ferner von den beiden Spitzenkandidaten Armin Laschet und Olaf Scholz erhalten - auch denen hatten wir am 3.9. die gleiche Frage gestellt. Beide scheinen es nicht nötig zu haben, auf Fragen und Anliegen von Bürgern bei abgeordnetenwatch.de zu reagieren.

Andere Dortmunder DirektkandidatInnen wurden von uns nicht angeschrieben.

 

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Nachtrag am 15.9.2021
Jetzt sind doch noch einige weitere Antworten eingegangen. Sie lauten wie folgt:

 

Jens Peick, SPD

Das grundlegende Merkmal unseres Sozialstaates ist, dass die Menschen einen Rechtsanspruch auf eine soziale Absicherung haben, die ihnen ein menschenwürdiges Leben, einen verdienten Ruhestand und eine gute Gesundheitsfürsorge garantiert. Die letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass wir unseren Sozialstaat weiter entwickeln und ihn zukunftssicher und generationengerecht gestalten müssen.

Die Arbeitsämter und Jobcenter müssen zuallererst bürger*innenorientierte Institutionen sein, die von den Menschen als helfend und die Gesetze als gerecht und respektvoll der jeweiligen Lebensleistung gegenüber wahrgenommen werden. Es muss deutlich sein, dass ein jahrzehntelanges Erwerbsleben nach ein oder zwei Jahren Arbeitslosigkeit nicht zu einem sozialen und gesellschaftlichen Abstieg führen darf. Das in einem Erwerbsleben aufgebaute Vermögen muss zum größten Teil erhalten und das Wohneigentum geschützt bleiben. Die Arbeitsämter und Jobcenter müssen vor allem der Vermittlung von Arbeit dienen, die der Qualifikation der arbeitssuchenden Menschen entspricht. Wirksame Weiterqualifizierungen sind anzubieten und vor allem sind Sanktionen auf ein absolutes Mindestmaß zu begrenzen. Ich teile das markt-liberale Menschenbild nicht, dass die Menschen sich nur dann anstrengen, wenn sie von Abstieg und Sanktionen bedroht sind. Und das aktuell von CDU/CSU angestoßene Bashing von arbeitslosen Menschen finde ich schäbig und entbehrt jeder Wahrheit über die realen Lebensumstände von arbeitslosen Menschen. Die Geschichte hat vielmehr gezeigt, dass die Menschen etwas leisten wollen, dass sie sich bilden wollen und dass sie stolz darauf sind, ihren Teil für das Wohlergehen der Gesellschaft beitragen zu können. 

Ebenso muss die Rente am Ende eines Arbeitslebens, einen angemessenen Lebensstandard garantieren – auch aus Steuermitteln, wie es bei der Respektrente bereits geschieht. Der weiteren Absenkung des Rentenniveaus muss ein Riegel vorgeschoben werden, auch im Interesse der jüngeren Generationen. Und es muss der Grundsatz wieder uneingeschränkt gelten, dass ein Mensch von einer Vollzeitstelle leben und seine Zukunft planen kann. Dazu bedarf es sicherer Arbeitsplätze mit einer angemessenen und gerechten Entlohnung der Arbeitsleistung. Um dies zu erreichen, muss der Mindestlohn auf mindestens 12 Euro angehoben werden.

 

Ann-Christin Huber, Die Linke

DIE LINKE ist die einzige Partei, die klar sagt: "Weg mit Hartz IV!". Ich bin für eine Abschaffung von Hartz IV, statt dessen für eine sanktionsfreie Grundsicherung von 1200€. Ferner fordere ich einen armutsfesten Mindestlohn von 13 € und eine Mindestrente von 1200€. In das Rentensystem müssen jedoch alle einzahlen. Auch Beamt*innen, Selbstständige und Abgeordnete. Darüber hinaus bedeutet soziale Gerechtigkeit auch, dass wir eine Kindergrundsicherung von 620€ brauchen und kostenlosen, gleichen Bildungszugang für alle Kinder/Jugendliche.

 

Marco Bülow, Die Partei

Ich unterstütze Ihre Position.

Ein Prozent der Menschen in Deutschland besitzen 35 Prozent des Vermögens. Weitere neun Prozent besitzen 32 Prozent des Vermögens. Das heißt: Zehn Prozent in unserer Gesellschaft besitzen zwei Drittel des Vermögens. Jeder zehnte Beschäftigte lebt an der Armutsgrenze. Außerdem arbeitet etwa jede*r Vierte hierzulande im Niedriglohnsektor (in Europa liegt Deutschland damit an der Spitze!). Ungefähr zehn Lebensjahre verlieren Menschen durch Armut. Das sind Zahlen, die erschreckend sind. Deshalb fordere ich auch eine Sozialwende. Es gibt in Deutschland genug Geld. Wir brauchen keine höheren Steuern, sondern eine Umkehrung und „andere Steuern“. Das Steueraufkommen reicht. Allerdings ist es ungerecht verteilt. In der Vergangenheit hat es eine ziemliche Umverteilung von Unten nach Oben gegeben. Auch der Faktor Arbeit ist viel zu hoch besteuert und das Geld falsch ausgegeben. In den letzten zwei Jahren ist allein der Militäretat im Bundeshaushalt um sechs Milliarden Euro erhöht worden (Zahlen 2020). Dieses Geld ist im sozialen Bereich besser aufgehoben. Ich habe mich immer schon darüber geärgert, dass der Mindestlohn mit einem Betrag eingeführt wurde, dessen Höhe schon längst überholt war.

 

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