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Studie: Benachteiligung von EU-Bürger*innen in Jobcentern aufgrund struktureller Probleme

EU-Bürger*innen in Deutschland haben in vielen Fällen Anspruch auf Sozialleistungen. Aufgrund struktureller Probleme in Jobcentern können sie ihre Ansprüche aber oft nicht geltend machen. Besonders betroffen sind davon Menschen, die kein Deutsch sprechen und ihre Rechte nicht kennen. Viele Betroffene fühlen sich diskriminiert. Das zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Die Ergebnisse decken sich mit Erfahrungen von Beratungsdiensten der Freien Wohlfahrtspflege.

Die Studie, so die Zusammenfassung der Autorin, beleuchtet verschiedene Formen informell ausgeübter institutioneller Diskriminierung in Jobcentern gegenüber EU-Bürger*innen, die in Deutschland leben und Sozialleistungen beziehen. Dies beinhaltet wiederkehrende, systematische, durch Verwaltungshandeln verursachte Ausschlussprozesse, die über individuelle Fälle von diskriminierendem Verhalten hinausgehen.

Danach erhalten Personen, die ihren Antrag nicht begründen können, oft keine Sozialleistungen.  Ursächlich dafür sind laut Dr. Nora Ratzmann eine ungenügend institutionalisierte Diversitätspolitik sowie ambitionierte quantitative Zielvorgaben, die zu einer hohen Arbeitsbelastung und Zeitmangel in Jobcentern führen. Viele Sachbearbeiter seien laut Studie engagiert, könnten aber die oft komplexen Fälle vieler EU-Bürger nicht angemessen bearbeiten.

Um mehr Zeit für die Bearbeitung der Anträge zu gewinnen, forderten manche Sachbearbeiter in Jobcentern Unterlagen an, die nicht zwingend erforderlich seien oder rechtlich gar nicht vorgelegt werden müssten. Auch eine zu enge Auslegung der gesetzlichen Vorgaben und des Ermessensspielraums könne zur Ungleichbehandlung von EU-Bürgern führen.

Erschwerend kommt der Studie zufolge hinzu, dass viele Mitarbeiter von Jobcentern darauf bestehen, ausschließlich auf Deutsch zu kommunizieren. Antragsteller, die nicht genügend Deutsch können, sind deshalb im Nachteil. Dies widerspricht jedoch dem EU-rechtlichen Prinzip der Gleichbehandlung: Sozialleistungen dürfen im Fall von EU-Bürger*innen nicht an Sprachkenntnisse gekoppelt werden.

Die Autorin der Studie fordert, dass Mitarbeiter*innen der Jobcenter mehr über die komplexen Rechtsansprüche von EU-Migrant*innen und ihre Bedürfnisse als Neuankömmlinge in der deutschen Gesellschaft wissen müssen. Sie brauchen mehr Übung im Umgang mit Diversität, bessere Fremdsprachenkenntnisse und vor allem mehr Zeit, um die Fälle von Antragssteller*innen aus anderen EU-Staaten angemessen prüfen zu können. Zudem könnte der Einsatz von kulturellen Mittler*innen mithilfe sprachlicher Übersetzungsprozesse sowie Aufklärung über Rechte und Pflichten informellen Praktiken von Leistungsausschlüssen vorbeugen und so einen rechtmäßigen Leistungsbezug ermöglichen.

Zur Studie hier

Weiterführende Links

https://www.dezim-institut.de/fileadmin/user_upload/Demo_FIS/publikation_pdf/FA-5467.pdf

https://www.migazin.de/2022/11/29/studie-strukturelle-probleme-jobcentern-benachteiligung/

Kontakt

Natalia Bugaj-Wolfram
Referentin Migrationssozialarbeit
migsoz@paritaet.org
030 24636-434

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