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Stellungnahmen zur Zukunft des Sozialtickets in NRW

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Derzeit ist unklar, ob es nach dem 31.12.2017 noch vergünstigte Tickets für Geringverdiener und Erwerbslose geben wird. Warum?

Die neue schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf verweigert bereits seit Monaten jegliche Auskunft, ob und wie es mit dem Projekt „Sozialticket“ in NRW weiter gehen soll. Das lässt leider befürchten, dass sie sich ganz aus dem Projekt zurückziehen und die bisherige Förderung von 40 Mill. €/a einstellen könnte. Dazu bedürfte es nur einer Kleinigkeit: Die entsprechende Richtlinie, die bis zum 31.12.2017 befristet ist, würde einfach nicht verlängert. Ohne die Förderung des Landes wären die entsprechenden Angebote der Verkehrsunternehmen aber praktisch tot.

Wir haben uns angesichts dieser Entwicklungen dazu entschlossen, kritische Stimmen und Kommentare von Dortmunder Persönlichkeiten aus Politik, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, etc. zum Thema „Sozialticket“ zu sammeln und öffentlich zu machen.

 

Hier zunächst der Wortlaut unseres Anschreibens von Mitte Oktober 2017:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in den Sommermonaten erschienen in der Presse verschiedene Artikel unter Schlagzeilen wie „Ungewisse Zukunft für das Sozialticket in NRW“ (SZ 9.8.2017) oder „Zukunft für das Sozialticket ungewiss“ (WAZ 10.8.2017). Die neue Landesregierung gibt sich bislang wortkarg. Daher ist nicht auszuschließen, dass sich die neue Landesregierung ganz aus dem Projekt „Sozialticket“ zurückziehen und die bisherige Förderung von 40 Mill. €/a einstellen könnte. Dazu bedürfte es nur einer Kleinigkeit: Die entsprechende Richtlinie, die bis zum 31.12.2017 befristet ist, würde einfach nicht verlängert.

Im VRR hat der Verwaltungsrat obendrein beschlossen, den Abgabepreis für das sogenannte „Sozialticket“ ab diesem Monat (1.10.2017) ein weiteres Mal anzuheben, und zwar auf knapp 38 Euro. Eine Erhöhung um sagenhafte 6,3 Prozent! Der Preis des Tickets entfernt sich damit immer weiter von der Bedarfslage derer, für die das Angebot eigentlich gedacht ist.

Im aktuellen, von der Bundesregierung beschlossenen ALG II Regelsatz, der seit 1.1.2017 gilt, sind gerade mal 27,40 € im Monat für Fahrten mit dem ÖPNV vorgesehen. Von weiteren 6,50 € sollen die Menschen Ausgaben für Fahrrad, Ersatzteile, Radreparaturen und Fernreisen bestreiten.
Vor allem die Diskrepanz zwischen Regelsatzanteil und Sozialticket-Preis führt dazu, dass Mobilität für Arme zum Luxus wird. Unsere verschiedenen Kritikpunkte sind auf der Webseite
www.attac-niederrhein.de/sozialticket/AN_sozialticket.htm ausführlich dokumentiert.

Wir haben uns angesichts dieser Entwicklungen dazu entschlossen, kritische Stimmen und Kommentare von verschiedenen Institutionen und Persönlichkeiten zum Thema „Sozialticket“ zu sammeln und öffentlich zu machen. Wir möchten Sie herzlich bitten, uns Ihre Meinung zu diesem Thema zuzusenden.

Sie können sich an folgenden drei Fragen orientieren:

1. Halten Sie ein Sozialticket für notwendig? Und wenn ja: Warum?

2. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein Sozialticket gestaltet sein?

3. Wer sollte ein Sozialticket bekommen?

Natürlich können Sie auch gerne Ihre persönlichen Aspekte zu diesem Thema vorbringen. Bitte teilen Sie uns gleichzeitig mit, ob Sie mit einer etwaigen Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme einverstanden sind.

Wir danken Ihnen schon jetzt für Ihre Mithilfe und freuen uns auf Ihre Antwort.

 

 

Nachfolgend die ersten Stellungnahmen, in der Reihenfolge ihres Eingangs:

 

1. Norbert Czerwinski, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im VRR, am 19.10.2017

Wir Grünen im VRR sorgen uns um den Fortbestand, denn CDU und FDP haben vor der Wahl immer wieder deutlich gemacht, dass sie das nicht als wichtig erachten und in der Opposition verschiedentlich die Abschaffung des Landeszuschuss gefordert. Wir haben deshalb die Fraktionen des VRR aber auch der anderen Verbünde kontaktiert und interfraktionelle Briefe an die Landesregierung initiiert: vom VRR, von den Westfalen, vom südlichen Rheinland sind solche Briefe versandt. Ebenso setzen wir uns für Ratsresolutionen ein. Haben solche initiiert oder - von Linken eingebracht - unterstützt, so in Dortmund, Bochum, Essen, Duisburg, Düsseldorf, Ratingen u.a.

Aber wir wissen: der neue Verkehrsminister würde gerne, der Finanzminister nicht. Also sind wir auf den Entwurf des Haushaltes 2018 gespannt, der in den ersten Novembertagen kommt. Entweder stehen Mittel drin: Dann müssen wir mit politischem Druck sorgen, dass sie auch im vom Landtag beschlossenen Haushalt erhalten bleiben. Oder sie stehen nicht drin. Dann müssen wir noch stärkeren Druck ausüben.

Die Verkehrsunternehmen, die anfangs sehr gegen das Sozialticket eingestellt waren, sind zumindest zum Teil mittlerweile überzeugt, dass eine Einstellung des Sozialtickets nicht in ihrem Interesse liegen kann. Wir wollen erreichen, dass das Sozialticket unabhängig von der Höhe des Landeszuschusses in Zukunft immer 50% des Normalpreises beträgt.

In der Frage der Höhe des Sozialtickets sind wir nicht einer Meinung. Unseres Erachtens kann es nicht Aufgabe der Verkehrsverbünde sein, einen unbefriedigenden Hartz-IV-Satz für Mobilität auszugleichen. Von daher ist neben der Forderung des Erhalts der Landesförderung des Sozialtickets auch die Forderung wichtig, dass der Hartz-IV-Satz für Mobilität erhöht wird. Das ist Bundessache.

Zu den im Brief angesprochenen drei Fragen:

1. Das Sozialticket ist notwendig, um auch Menschen mit weniger Einkommen Mobilität und damit gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

2. Das Sozialticket sollte ein preiswertes Angebot in der eigenen Stadt bzw. im Kreis ermöglichen und maximal 50% des Normaltickets betragen. Wünschenswert wären ebenfalls 50%-ermäßigte Angebote in anderen Preisstufen und bei 4-Fahrten-Tickets.

3. Das Sozialticket sollten alle Menschen nutzen können, die soziale Transferleistungen bekommen: Hartz-IV-Bezieher*innen und -aufstocker*innen, Bezieher*innen von Leistungen des Asylbewerber-leistungsgesetzes (gerade im Fokus von Anfragen der AfD-Landtagsfraktion NRW) und Wohngeld-berechtigte.

 

2. Wolfgang Richter, Kreisvorstand DKP Dortmund, am 23.10.2017

Die Stellungnahmen der DKP Dortmund zum so genannten „Sozialticket“ sind all die Jahre seines Bestehens und seiner Preiserhöhungen im Grundsatz gleich geblieben und gelten weiter in der Prioritätenfolge:

  1. Nullticket – die kostenfreie Nutzung des ÖPNV war, ist und bleibt auf Dauer die vernünftige Lösung, nicht nur für Bedürftige, sondern für alle am öffentlichen Verkehr Teilnehmenden. Der ÖPNV ist steuerfinanziert bereitzustellen und soll allenfalls eine symbolische Gebühr für die Nutzung erheben.

  2. 15-Euro-Ticket – dies war die zunächst erreichte erste Preisstufe in Dortmund, die ‚probeweise‘ zwei Jahre eingeführt (2009 – 2010) war. In der Folge sprangen die Ticket-Preise auf die VRR-Preis-Ermittlung – bei lange erhalten gebliebener 15-Euro-Forderung der protestierenden Initiativen.

  3. Regelbedarfsermitteltes Ticket – im ‚Regelbedarf‘ sind derzeit 25,77 € für die Benutzung Öffentlicher Verkehrsmittel ‚ermittelt‘. Ein so errechnetes Sozialticket verbrauchte den gesamten Titel und wäre folglich für die uneingeschränkte Nutzung des ÖPNV einzurichten.

Derzeit werden die ‚regelmäßigen‘ Preiserhöhungen im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr durchgeführt. Für das „Sozialticket“ ist eine extra weitreichende Erhöhung von mehr als 6% vorgesehen. Es soll nun 37,80 € kosten und übersteigt damit jede als sozial erkennbare Dimension. Verantwortlichkeiten werden erneut zwischen Parteien und Regierungen, Verbünden und Verbänden hin und her geschoben.

Die DKP Dortmund sieht keinen Anlass, ihre Positionen in dieser Frage zu verlassen.
Die aktuellen ‚Überlegungen‘ werden abgelehnt. Die Notwendigkeit für einen grundsätzlichen Wechsel in der Verkehrspolitik wird immer unabweisbarer – soziale Lage, Klima, Umwelt, Stadt und Land brauchen ihn. Die DKP Dortmund schlägt das Einrichten eines Nulltickets vor.

 

3. Jutta Reiter, Vorsitzende des DGB Dortmund, am 6.11.2017

1.
Wir leben in einer Gesellschaft in der Mobilität immer wichtiger wird. Jobs sind z.B. erst in weiter-entfernten Regionen zu haben. Im Rahmen des Diesel-Betrugs habe ich gefordert, dass niemand finanziell überfordert oder in seiner Mobilität eingeschränkt werden darf. Im Umkehrschluss heißt das, alle müssen uneingeschränkt Zugang zu Mobilität haben. Menschen, deren Auskommen nicht ausreicht, um sich den Zugang zu einer der wichtigsten staatlichen Daseinsvorsorgen leisten zu können, müssen unsere volle Unterstützung erfahren. Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass Mobilität für jede und jeden machbar ist! Ein Sozialticket könnte der Staat jedem zur Verfügung stellen, der darauf angewiesen ist.

2.
Mobilität wird sich vor dem Hintergrund des Klimawandels stark verändern. Eine Diskussion über die Rolle des ÖPNV wird vielleicht noch ganz neue Ergebnisse bringen, vielleicht wird der ÖPNV komplett frei von Beförderungsentgelten? Bis dahin ist sicherzustellen, dass einkommensschwache Menschen von Mobilität nicht ausgegrenzt werden. Als Gewerkschaften fordern wir, die SGB II Sätze so anzuheben, das ein menschenwürdiges Leben in unserem Land vor dem Hintergrund der Realkosten möglich ist. Solange das nicht umgesetzt ist, müssen die Kosten für ein Sozialticket so bezuschusst werden, dass sie den aktuellen Stand in den Regelsätzen aufstocken.

3.
Mobilität gilt es ja nicht nur für Menschen zu sichern, die Arbeitslos sind, sondern auch für Junge und Alte, um gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Mit steigender Altersarmut wird Mobilität ein teures Gut werden, wenn der Staat nicht interveniert. Auch steigt die Zahl der Mensch, die im Niedriglohn-bereich arbeiten oder die nur eine Teilzeitstelle mit geringem Einkommen haben. Sie alle haben ein Recht auf Mobilität, die der Staat sichern muss!

 

4. Stellungnahme von Bodo e.V. am 14.11.2017

Das Sozialforum Dortmund und zahlreiche Sozialverbände fürchten das Aus für das Sozialticket in NRW. Der Grund: Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW berät derzeit darüber, das Ticketwesen für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu verändern. Bisher wird das Sozialticket, eine Monatskarte für Bus und Bahn für einkommensschwache Menschen, aus Landesmitteln gefördert, 2016 mit 40 Millionen Euro. Bis 2019 will das Land die Förderung halbieren.

Mobilität ist essenziell für soziale Teilhabe. Wer nicht mobil ist, ist in großen Teilen vom gesellschaft-lichen Leben ausgeschlossen. Für die Menschen, die zu uns kommen, geht es dabei um existenzielle Fragen: den Weg zur Frühstücksstelle, zur Suppenküche oder zur Notunterkunft. Die Möglichkeit, von A nach B zu kommen, ist für fast jede Beschäftigung Grundvoraussetzung und für Menschen auf der Suche nach einem Job unverzichtbar. Wer sich kein Auto leisten kann, ist auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, längere Distanzen vom Wohnort zur Arbeitsstelle zu überwinden – gerade weil auch das Wohnen in Innenstadtlagen für Menschen mit geringem Einkommen immer schwerer bezahlbar wird und sie zunehmend in Randlagen oder Vororte ausweichen müssen. Das Sozialticket wird als Fahrkarte für Bedürftige beworben. Doch selbst vergünstigt kostet es mehr, als der SGB-II-Regelsatz für den Bereich Mobilität hergibt. Im Klartext: Das Sozialticket ist zu teuer für diejenigen, für die es gedacht ist.

Wer ohne gültige Fahrkarte erwischt wird, fährt „schwarz“. Und riskiert bei jeder Fahrt eine Strafe von 60 Euro. Die Folge: Sanktionen, Gerichtsverfahren, Schulden, sogenannte Ersatzhaft. Regelmäßig berichten uns Menschen, die bei uns Hilfe suchen, dass sie, weil sie Strafen nicht bezahlen können, ersatzweise ins Gefängnis müssen. Das verstärkt Stigmatisierung und Entwertung, mindert die Chancen, wieder im normalen Leben Fuß zu fassen.

Bis 2019 will die Landesregierung die Förderung auf 20 Millionen Euro jährlich halbieren. bodo e.V. unterstützt die Forderung, das Sozialticket zu erhalten - und wünscht sich eine Ausgestaltung, die sich an den Bedürfnissen der Nutzenden orientiert. Das bedeutet zum einen, dass das Ticket allen Menschen zustehen muss, die es brauchen, unabhängig davon, ob sie Transferleistungen beziehen, keine oder eine gering bezahlte Beschäftigung hat und wie hoch das eigene Einkommen ist. Es braucht außerdem einen Zugang ohne Hürden - wer ein Sozialticket benötigt, soll nicht erst beim zuständigen Jobcenter oder Sozialamt einen Antrag stellen oder sich eine Bescheinigung abholen müssen und damit erneut zum Bittsteller werden. Es muss ein Sozialticket geben, das auch bezahlbar ist. Der Kampf um nötige Gelder darf nicht auf dem Rücken von Betroffenen ausgetragen werden.

 

5. Herr Uwe Waßmann, CDU-Fraktion im Rat der Stadt Dortmund, am 14.11.2017

Bis heute ist es gelungen, ein Sozialticket für den betroffenen Personenkreis bereit zu stellen. Dies ist ganz wesentlich auch durch die CDU Fraktion im VRR geschehen. Als Mitglied der CDU - VRR Fraktion kann ich Ihnen versichern, dass die Diskussion über die Weiterführung des Sozialtickets äußerst seriös geführt wird.

Ich möchte Sie jedoch gerne daran erinnern, dass die Einführung eines Sozialtickets in NRW ausdrücklicher Wunsch der Grünen im Landtag NRW war und Gegenstand der Koalition zwischen SPD/Grünen wurde. Dabei wurde jedoch von Beginn an die Finanzierung des Tickets nicht auskömmlich gestaltet, so dass es zu Preiserhöhungen kommen musste. Diese Preiserhöhungen orientieren sich nach wie vor am Ticket 1000 und sind nach wie vor deutlich günstiger, als das Orientierungsticket 1000. Ganz wesentlich ist dabei zu beachten, dass sowohl die Einführung als auch die Fortführung eines Sozialtickets nicht zu Lasten der Kommunen oder Verkehrsunternehmen gehen darf. Das ist Beschlusslage auch im VRR und Bedingung für das Ticket.

Der VRR musste sich gegenüber der ehemaligen rot/grünen Landesregierung massiv dafür einsetzen, dass das Land sich deutlich an der Finanzierung des Tickets beteiligt, denn ohne eine Subventionierung ist das Ticket nicht gestaltbar. Zur Zeit laufen intensive Gespräche mit der neuen Landesregierung, in welcher Form ein Sozialticket weitergeführt werden kann.

Dabei erscheint es uns durchaus legitim, dass jede Art von Subvention des Landes grundsätzlich auf dem Prüfstand steht. Wie z.B. auch diese 40 Millionen €, denn es ist auch dringend nötig, dass die Nutzung der Zuschüsse deutlich transparenter werden.

Bitte gehen Sie davon aus, dass die CDU im VRR grundsätzlich an einer Weiterführung des Tickets interessiert ist. Dabei wird es jedoch weiterhin unabdingbar sein, dass weder die Kommunen aufgrund der Haushaltslage als auch die Verkehrsunternehmen nicht zusätzlich finanziell belastet werden. Dabei gehen wir davon aus, dass es noch vor Ende 2017 zu einem Ergebnis kommt, da es den Beteiligten bewusste ist, dass das Ticket ansonsten mit Ablauf 2017 entfallen würde.

 

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