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Feindbild Bürgergeldempfänger

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Simple Feindbilder sind scheinbar wieder in Mode. Insbesondere Merz, Linnemann und Lindner fallen da immer wieder unangenehm auf.

 

Simple Feindbilder sind scheinbar wieder in Mode. Insbesondere Merz, Linnemann und Lindner fallen immer wieder als hetzerische Demagogen auf.

Leider haben die Ruhr-Nachrichten in einem groß-aufgemachten Artikel letzten Samstag in die gleiche Kerbe geschlagen. Der Aufmacher hieß „Weniger Sanktionen verhängt“ und skandalisierte eine angebliche „neue Milde“ bei den Jobcentern. Wir haben dies zum Anlass genommen, die RN anzuschreiben und um mehr politische Zurückhaltung zu bitten. Aufklärung tut Not in einer Zeit, in der sich erwerbslose Sozialleistungsbezieher – im Vorfeld der Wahlen und der Haushaltsberatungen für 2025 - erneut einem immer stärker werdenden Kesseltreiben ausgesetzt sehen.

 

Hier der Wortlaut unserer Zuschrift:

 

Neue Milde?

Leserbrief zum Artikel „Weniger Sanktionen verhängt“ in der Samstag-Ausgabe (27.4.2024), S. 1

 

Wir sind erstaunt, dass ein seriöses Blatt wie die RN sich an dem seit einigen Monaten beliebten Kesseltreiben gegen Erwerbslose im Sozialleistungsbezug beteiligt.

Der Aufmacher der Samstag-Ausgabe kommt scheinbar faktenbasiert daher, folgt aber einem Tenor, mit dem einige Politiker schon länger die Öffentlichkeit zu bearbeiten suchen: Unser Sozialleistungssystem sei zu generös, die Höhe der Leistungen geradezu eine Einladung an solche Menschen, die sich vor Erwerbsarbeit drücken wollten.

Schlimm genug, dass mittlerweile viele der Befragten sich dieses Narrativ zu eigen gemacht haben. Aber von einer „neuen Milde“ zu sprechen, „die die Ampel den Jobcentern vorgibt“, ist Populismus – und zeugt von mangelndem Sachverstand. Denn offenbar ist den beiden Autorinnen des Artikels entgangen, dass es mit der Einführung des Bürgergelds im Januar 2023 eine zentrale Änderung in der arbeitsmarktpolitischen Eingliederungsstrategie gegeben hat: Das bis dahin geltende absolute Vermittlungsprimat ist gefallen. In all den Fällen, wo es für eine dauerhafte Eingliederung eines/einer Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt sinnvoller erscheint, die beruflichen Fertigkeiten mittels einer gezielten Qualifikation nachzubessern, solle der Person fortan eine entsprechende Bildungsmaßnahme angeboten werden. Dass diese, gegenüber früher differenziertere, Vorgehensweise der Behörden unweigerlich auch zu einem Sinken der vermittlungsbezogenen Sanktionszahlen führt, sollte also nicht weiter überraschen.

Und entgegen anderslautenden Behauptungen gibt es auch keinerlei empirische Belege dafür, dass es seit Anhebung der gesetzlichen Regelsätze zu einer nennenswerten Kündigungswelle gekommen sei, weil Betroffene gemeint hätten, mit Bürgergeld besser dazustehen als mit ihrem Lohn. Erstens können die meisten Leute rechnen – und dabei feststellen, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Zweitens aber besagt die Statistik der Bundesanstalt für Arbeit, dass ganz im Gegenteil seit Einführung des Bürgergelds sogar weniger Menschen aus Jobs in den Sozialleistungsbezug wechseln als zu früheren Zeiten.1

Wir wären Ihnen dankbar, wenn die RN künftig bei solchen Themen mehr politische Zurückhaltung üben und sich allein auf Fakten beziehen würden.

Sozialforum Dortmund

 


Der genannte RN-Artikel zum Nachlesen hier (anklicken!) 

Wesentlich angenehmer kommt ein anderer RN-Artikel aus Castrop-Rauxel zum gleichen Thema daher: Titel: 'Das Feindbild des „faulen Arbeitslosen“ – Was ist dran an dieser Erzählung?', in Ausgabe Castrop-Rauxel v. 29.1.2024 - siehe hier

 

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