Der Fiskus schröpft Milliarden aus der Besteuerung des Existenzminimums
Der Grundfreibetrag der Einkommenssteuer muss drastisch angehoben werden. (hh)
Vielen ist das nicht bekannt, aber in Deutschland wird selbst das Existenzminimum der Erwerbstätigen vom Staat besteuert. Und das seit vielen Jahren. So kommt es, dass jemand, der zum gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 €/Stunde beschäftigt ist, selbst bei Vollzeitarbeit netto so wenig mit nach Hause nimmt, dass er (oder sie) ergänzende Hartz IV-Leistungen beanspruchen kann.
Beispiel gefällig? Einfach mal die Datei mit dem Flugblatt öffnen, das wir an diesem 1. Mai auch in Dortmund verteilt haben. Das Flugblatt gibt’s hier (anklicken!).
Erwerbstätige, die neben dem Lohn regelmäßig auch noch aufstockende Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) erhalten, nennt man in Fachkreisen gewöhnlich etwas schlicht „Aufstocker“. Deren Zahl hat die Millionenschwelle längst überschritten (schon seit 2006), und man fragt sich, wieso die Zahl der AufstockerInnen auch nach Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns nicht abnehmen will.
3 Gründe lassen sich festmachen:
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First of all: Der gesetzliche Mindestlohn ist mit 8,50 €/Stunde bei weitem zu niedrig – besonders für die, die auch noch eine Familie zu versorgen haben.
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Der Mindestlohn wird obendrein noch auf geraume Zeit löchrig bleiben – es gibt bei seiner Anwendung allzu viele Ausnahmen.
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Das deutsche Steuerrecht schont selbst das Existenzminimum nicht. Dadurch geraten Erwerbstätige, wie beschrieben, vielfach in die Bedürftigkeit, obwohl sie – genauer gesagt: weil sie – Lohnsteuer bezahlen. Hierfür sind 2 Dinge ursächlich:
a.) Die Regierungen in Berlin setzen viel daran, dass der steuerliche Grundfreibetrag unter dem sog. sozialhilferechtlichen Existenzminimum bleibt, und zwar deutlich. Aktuell beträgt der Grundfreibetrag für einen Alleinstehenden 706 € im Monat, während sich der Regelbedarf eines Alleinstehenden, je nach Wohnort, zwischen 750 und 800 Euro bewegt (Regelsatz plus Warmmiete). Die offizielle Armutsgrenze liegt aktuell sogar bei 892 Euro, damit fast 200 Euro über dem steuerlichen Grundfreibetrag.
b.) Den Erwerbstätigen wird im Steuerrecht außer den expliziten Werbungskosten (Fahrkosten, Arbeitsmontur, Fachliteratur, u.ä.) kein weiterer Mehrbedarf zugebilligt – anders als im Sozialhilferecht. Im Sozialhilferecht wird pauschal zusätzlich (bis zu) 300 € Mehrbedarf im Monat zuerkannt, zur Deckung der Mehrkosten bei Ernährung, für Mahlzeiten außer Hause, Kleidung, Körperpflege etc..
Anders gesagt: Der im Sozialhilferecht anerkannte Mehrbedarf von Erwerbstätigen wird im Steuerrecht mit Steuern belegt! Dieser Irrsinn wird bislang von allen Bundesregierungen seit 1996 – mit fadenscheinigsten Erklärungen – eisern verteidigt.
Deshalb fordern wir – zusammen mit vielen anderen Gruppen und Organisationen in der Republik – nicht nur einen Mindestlohn von 10 Euro. Mindestens ebenso wichtig ist uns, dass das Existenzminimum der Erwerbstätigen grundsätzlich (einkommens-) steuerfrei gestellt wird. Was nebenbei zur Folge hätte, dass sich die Steuerlast bei ALLEN abhängig Beschäftigten mindern würde – ein aus Sicht der Bundesregierung(en) unerträglicher, weil milliardenschwerer, Verlust für die Steuerkassen.
Mit der Steuerfreiheit des Existenzminimums würde die Zahl der AufstockerInnen zumindest aus dem Bereich der Vollzeit-Beschäftigten deutlich zurückgehen. Lisa Müller müßte in dem beschriebenen Beispiel keinen Antrag mehr auf aufstockendes ALG II stellen, um sich das, was sie an Lohnsteuern abgedrückt hat, vom Jobcenter wieder zurückzuholen.
Und zugleich würden sämtliche Erwerbstätige zumindest geringfügig besser gestellt als andere Steuerpflichtige, die ihren Lebensunterhalt ausschließlich aus Renten, Vermietung oder Kapitalerträgen bestreiten.
Also:
Schluss mit der Besteuerung des Existenzminimums von Erwerbstätigen!
Steuerfreiheit für jeden gesetzlichen Mindestlohn!
Hier noch mal der link zum aktuellen Flugblatt.