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Berlin einig mit den Spitzen der deutschen Industrie

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Die Geldgeber demütigen die politische Klasse Griechenlands, wo sie nur können, und zwingen diese, ihrem Volk immer größere Opfern aufzuhalsen. Alles, was bei uns unter dem Stichwort Agenda 2010 lief, soll in Griechenland innerhalb weniger Wochen "nachgeholt" werden. Und schlimmer noch. Der immer näher rückende Tilgungstermin am 20. März dient der Euro-Zentrale dabei als zentraler Druckhebel. Das Land müsse garantieren, daß seine Zusagen auch nach den kommenden Wahlen gültig bleiben. Egal wie diese ausgehen. Oder die Wahl wird am besten gleich ganz abgesetzt. Man lernt: Parlamentarische Demokratie und nationale Selbstbestimmung sind im Zweifel reine Schönwetterveranstaltungen. (hh)

 

Banditendeal

Griechenland: Politik einig mit Industrie

Von Arnold Schölzel, junge welt
 
Dem deutschen Kapital reicht es. Bosch-Chef Franz Fehrenbach, einer seiner wichtigeren Sprecher, fordert den Rauswurf Griechenlands nebst anderer wirtschaftlich schwacher Staaten aus der Euro-Zone und gleich noch aus der EU insgesamt. Griechenland sei mit »Phantomrentnern und reichen Nichtsteuerzahlern ein Staat ohne funktionierende Verwaltung« und habe in der Union nichts zu suchen, sagte er dem Manager-Magazin. Für den Austritt könne es Hilfen geben. Laut einer Umfrage der Zeitschrift unter 300 deutschen »Entscheidern« plädieren 57 Prozent dafür, in Griechenland die Drachme wieder einzuführen.

Die hetzerische Rhetorik des Managers besagt, daß die Krise weit vorangeschritten ist. Ausdrucksweise und Forderungen repräsentieren jenes reaktionäre Bündnis von Mob und Monopolen, das im 20. Jahrhundert in Deutschland als vermeintlicher Ausweg aus Krisen u.a. politische Grundlage zweier Weltkriege wurde. Einige Herrschaften wollen wieder einmal ein Ende mit Schrecken.

Die Diktion des leitenden politischen Personals ist in Zeiten, da neuere Kolonialkriege wegen weit verbreiteten Mißmuts »humanitäre Interventionen« heißen müssen, nicht so deutlich, aber hinreichend klar: Am Mittwoch kam vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die »Anregung«, Athen könne doch die für April vorgesehenen Wahlen um ein Jahr verschieben. Das Land müsse ebenso wie Portugal und Irland garantieren, daß seine Zusagen auch nach einer Volksabstimmung gültig bleiben. Mit anderen Worten: Die »Wahl« könnte genauso gut ausfallen. Amtsvorgänger Peer Steinbrück (SPD) ließ sich aus Washington vernehmen, er hätte als Finanzminister schon vor einem halben Jahr einen Plan B für Griechenland ausarbeiten lassen. Denn: »Ich wäre gerne vorbereitet für den Fall einer griechischen Pleite.« Die Verwertungsbedingungen fürs Kapital, in der EU also vornehmlich fürs deutsche, müssen einigermaßen vorhersehbar bleiben. Schäuble und Steinbrück neigen zum Schrecken mit längerem Ende.

Für die griechische Bevölkerung bedeuten die Nuancen: Sie interessiert in beiden Fällen nicht. Allgemein gesagt: Parlamentarische Demokratie ist eine Schönwetterveranstaltung. Sie kann per »Anregung«, Plan B oder Rauswurf aus der EU außer Kraft gesetzt werden. Für die in Athen herrschende Kaste heißt das, im Poker für die eigenen Pfründe noch eine Schippe drauflegen, also noch mehr als bisher mit der Entfachung eines EU-weiten Flächenbrandes drohen. Offen ist, über welches Maß der Ausplünderung Griechenlands sich in- und ausländische Banditen letztlich einigen. Offen ist vor allem aber, ob die, die den Deal mit Arbeitslosigkeit, Armut, Obdachlosigkeit und Hunger bezahlen sollen, dazu bereit sind. Besorgt meldet der Tagesspiegel, »Griechenlands stalinistische Kommunistische Partei, die in den Meinungsumfragen stark zulegt«, rufe die Bürger bereits offen zur Revolte auf.
 
aus: junge welt v. 16.2.2012
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