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Rede von Ulrich Sander auf der Dortmunder Montagsdemo am 20.9.04 vor der Reinoldikirche

Die Montagsdemo hatte sich als Schwerpunkt "Hartz IV" und seine Auswirkungen auf die Kommunen gesetzt. Dazu der OB-Kandidat des Linken Bündnisses Ulrich Sander.

Wir vom Linken Bündnis bitten Euch, einen Bürgerantrag zu unterstützen, um die Stadt zu drängen, bei der Umsetzung von Hartz IV ihren Ermessensspielraum voll zugunsten der Betroffenen auszuschöpfen.

Es dürfen nur tarifvertraglich und verfassungsmäßig zulässige Jobs angeboten werden. Weiter fordern wir: Verzicht auf Billig-Jobs, Ausschluss von Zwangsumzügen, Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge für alle, die aus dem Arbeitslosengeld II herausfallen, Verwendung der Bundes- und Landesmittel nur zur Schaffung regulärer, gemeinnütziger und nach Tarif bezahlter Arbeits- und Ausbildungsplätze.

Diese Forderungen sind für uns alle von großem Wert. Denn es ist den Kommunalpolitikern gelungen, den Eindruck zu erwecken, mit der Durchführung von Hartz IV kämen sie nur der bundesweit gültigen Gesetzeslage nach. In Wirklichkeit drängeln sich die rot-grünen, aber auch schwarzen Kommunalpolitiker, auch die unserer Stadt, danach, mit Hartz IV viel Geld in die leere Stadtkasse zu spülen. Die Arbeitslosen sollen nicht nur den Bundeshaushalt, sondern auch die Kommunalhaushalte sanieren. Jene, die für die Haushaltsmiseren verantwortlich sind, die Spitzenverdiener, denen immer mehr Steuern erlassen wurden und noch werden, bleiben außen vor. Die Ärmsten haben zu zahlen.

Die Dortmunder Politik greift nicht nur nach dem Geld der Armen, sondern auch nach ihrer Freiheit. Dabei sind die Ein-Euro-Jobs besonders perfide Instrumente. Sie sind ein Rückgriff aus der Zeit der Notverordnungen von 1931 mit ihren Arbeitsdienstregelungen, die dann 1933 von den Nazis zum Reichsarbeitsdienst weiterentwickelt wurden.

Laut Grundgesetz haben wir das Grundrecht, "Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.". Weiter heißt es in Artikel 12 Grundgesetz: "Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig." Noch schöner steht es in der NRW-Landesverfassung: "Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit. Der Lohn muss der Leistung entsprechen und den angemessenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Familien decken. Für gleiche Tätigkeit und gleiche Leistung besteht Anspruch auf gleichen Lohn, das gilt auch für Frauen und Jugendliche." (Artikel 24 der Landesverfassung von NRW)

Gegen Hartz IV vorzugehen, bedeutet, die Landesverfassung und das Grundgesetz ernst zu nehmen, ja einen Verfassungsauftrag zu verwirklichen. Gegen Hartz IV vorzugehen, bedeutet, die Rechte der Jugend zu verteidigen. Denn den jungen Leuten hatte man versprochen, ihnen hundertprozentig durch eine Ausbildungsplatzabgabe der Unternehmen Ausbildungsplätze zu verschaffen. Doch es setzte sich mal wieder das Kapital durch. Und so bleiben in Dortmund wieder einmal 500 bis 1000 Jugendliche allein eines Schulabgangsjahres ohne Lehrstelle. Statt diesen Jugendlichen Lehrstellen zu geben, gibt man ihnen Ein-Euro-Jobs. Dort sind sie völlig rechtlos. Wer nicht spurt fliegt. Kein Personalrat hilft ihnen. Sie werden Teil einer Reservearmee von Arbeitskräften unter dem Kommando des Oberbürgermeisters und seiner Dezernenten.

Hartz IV bringt nicht nur Armut. Hartz IV beseitigt auch die Freiheit. Weg mit Hartz IV.

------------------------------------------------------------ Anhang zur Erläuterung:

Hartz IV lehnt sich an Arbeitsdienst und Notverordnung von 1931 an. In Dortmund heißt das: Arbeitslose der Kategorie II haben sich zum Arbeitsdienst, genannt Ein-Euro-Jobs, einzufinden, um zum Beispiel am Bau einer großen Parkanlage mitzuwirken, die sich OB Dr. Langemeyer ausgedacht hat. Wer nicht erscheint, dem wird das Arbeitslosengeld II gestrichen, wenn er unter 25 Jahre alt ist. Den älteren „Drückebergern“ werden zunächst 30 Prozent des Arbeitslosengeldes, das 345 Euro nicht überschreitet, gestrichen. Entschuldigungen, man sei durch eine ehrenamtliche Arbeit oder eine Zuverdienststelle verhindert, werden nicht entgegengenommen. Zuverdienst außerhalb der Ein-Euro-Jobs ist nur bis zu 24 Euro (früher bei der Arbeitslosenhilfe 165 Euro) zulässig.

Dies wirft auf ein bezeichnendes Licht auf die heuchlerische Behauptung, es sei doch besser, für einen Euro zu arbeiten, als zu Hause zu sitzen. Wer ehrenamtlich oder mit Zuverdienst arbeitet, sitzt auch nicht zu Hause, wird aber nun für seine Arbeit bestraft. Der Arbeitsdienst wird bei der Dortmunder Job-Center-GmbH abgeleistet, für die über 109 Millionen Euro, davon 33 Millionen Euro für Verwaltungsaufgaben, bereitgestellt wurden. Aus Bundesmitteln. Angeblich sollen die Teilnehmer für den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht werden, doch der ist leergefegt und zudem werden mit Ein-Euro-Jobs keine neuen Arbeitslosengeldansprüche erworben. Einmal im Ein-Euro-Job ; immer arbeitslos.

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