Stellungnahme zum "Buendnis Soziale Bewegung NRW" und seiner Aktionskonferenz am 24.01.04 ind Dortmund

(Sturmi Siebers, Sozialforum Dortmund)

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Dass sich auf Landesebene Organisationen gleich welcher politischen und weltanschaulichen Tradition zusammentun, um jeweils auf ihre Weise (die man/frau natuerlich diskutieren kann) dem Sozialkahlschlag Widerstand entgegenzusetzen, find' ich erstmal positiv.

Ich hab' auch kein Problem damit, wenn darunter Leute sind, die sich nach wie vor von einer Mitgliedschaft in der SPD nicht verabschieden mögen (wie der AWO-Vorsitzende Niederrhein). Dass sich bei einer m.E. notwendigen breitestmöglichen Front gegen die herrschende Politik, unter Einschluss auch kirchlicher und caritativer Organisationen, ein buntes Sammelsurium von Erklärungs- und Aktionsmustern ergibt, ist auch unvermeidlich und könnte sogar fruchtbar sein.

Für mich liegt der Knackpunkt da, wo m.E. der Minimalkonsens eines solchen zivilgesellschaftlichen Bündnisses liegen müsste.

Dazu hab' ich in dem Bericht über die (noch eine!) Arbeitstagung "Für ein soziales Bündnis" der Initiative für einen Politikwechsel am 1. Februar in Frankfurt in den Ausführungen von Bernd Riexinger (Netzwerk linker Gewerkschafter) ein m.E. brauchbares Kriterium gefunden (siehe: <http://www.free.de/FREE/projects/sofodo/sozialer-widerstand/ueberoertl-netzwerke/akonf-inipolwechsel-2004-02-01>) :

>>> "... Für Bernd Riexinger, Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Stuttgart, ist die politische Situation nicht mehr durch langfristig fortschreitenden Sozialabbau, sondern durch einen Systemumbau gekennzeichnet: die ökonomisch und politisch herrschenden Kräfte lassen sich in ein sozialpartnerschaftliches Konsensmodell nicht mehr einbinden, der rheinische Kapitalismus ist nicht mehr die Arena der sozialen Auseinandersetzungen. Seine Schlussfolgerung: Aktualisierung des politischen Mandats der Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche Bündnisse mit sozialen Bewegungen.

Dagegen steht eine "Überwinterungsstrategie", die in einer moderierenden Begleitung des Umbaus des Sozialsysteme noch Spielräume für sozialpartnerschaftliche Verständigungsprozesse auch auf parlamentarischer Ebene sieht." <<<

Ein typisches Beispiel für die letztere Position ist der Aufruf von DGB-Sommer zum 3.April anlässlich des DGB-Neujahrsempfangs (<http://www.dgb.de/dgb/gbv/reden/sommer_rede2004.pdf>).

Es wäre aber m.E. aber falsch, das BsB NRW gleich in denselben Topf zu werfen.

Problematisch finde ich es schon, wenn vielfach zur "Verteidigung des Sozialstaats" aufgerufen wird, als ob es vor Hartz und Agenda 2010 bei uns sonderlich sozial zugegangen wäre und wir nur zum alten sozialpartnerschaftlich verwalteten Stand zurückzukehren bräuchten. Ein Ausdruck eines Festhaltens an sozialpartnerschaftlichen Illusionen, die in den Gewerkschaftsapparaten traditionell eine starke, auch materielle Basis haben, ist es allerdings m.E. auch, wenn beim Begriff "Generalstreik" bei einigen Vertretern gleich die Klappen fallen. Dabei geht es ja nicht darum, hier und jetzt zum Generalstreik aufzurufen. Dazu sind auch meiner Meinung nach derzeit die Voraussetzungen noch nicht gegeben. Es geht aber darum, diese zu entwickeln und das heißt auch, diese Idee in die Köpfe zu pflanzen. Es geht nicht darum (wie eine Attaci auf der Dortmunder Konferenz meinte), "den Gewerkschaften Vorschriften zu machen", sondern eine Perspektive für die notwendige Weiterentwicklung des Widerstands der Betroffenen zu gewinnen (ungeachtet davon, dass es in der BRD von der Gesetzeslage her Schwierigkeiten gibt, was die mögliche Rolle der Gewerkschaftsapparate dabei angeht).

Im Übrigen kann ich, was Bündnisgrundlagen betrifft, diesmal auch den Ausführungen von Werner Rätz auf der genannten Tagung (soweit im Bericht wiedergegeben) zustimmen:

>>> "Für Werner Rätz (Ko-Kreis Attac) muss für die Mobilisierung zum 3. April klar sein, dass die rot-grüne Bundesregierung nicht Ansprechpartner, sondern politischer Gegner eines breiten Bündnisses gegen Sozialabbau ist. ... Überhaupt muss – wie mehrfach in der Diskussion eingefordert wurde – Grundlage sozialer Bündnisse ein Agieren "auf gleicher Augenhöhe" sein: ein 3. April, an dem der DGB gleichsam die Bläser benennt und die sozialen Bewegungen die Streicher aus dem Orchestergraben stellen, wäre zum Scheitern verurteilt. Rätz plädierte für bündnispolitische Erweiterung – Einbeziehung von MigrantInnen-, Umwelt-, Erwerbslosen- etc. Initiativen – sowie für weitere konzeptionelle Klärungen (u.a. Zugriff auf gesellschaftlichen Reichtum über Arbeit oder über soziale Rechte/Grundsicherung)." <<<

Dass sich auf regionaler und nationaler Ebene nun parallel verschiedene Bündnisse bilden, finde ich solange nicht problematisch, wie diese Bündnisse nicht gegeneinander arbeiten, sondern miteinander kooperieren (auf der eingeforderten "gleichen Augenhöhe").

Mein Problem mit dem BsB NRW (mal abgesehen von der schließlich zurückgezogenen windelweichen "Beschlussvorlage" zur Dortmunder Konferenz - die "Grundsatzerklärungen" dieses Bündnisses sind da doch etwas weitgehender) besteht v.a. darin, dass ich den Verdacht nicht loswerde, dass sich dieses Buendnis aus überwiegend etablierten (kein Problem!) Verbänden als Sprecher und Vertreter örtlicher Basisinitiativen und Sozialforen positionieren möchte, etwa bei der Vorbereitung von Aktionen wie zum 2./3. April. Mein Eindruck ist, dass das "Buendnis Soziale Bewegung NRW" die örtlichen Sozialforen als seine lokalen "Basisorganisationen" begreift, ohne dass es da eine demokratische Meinungs- und Willensbildung von unten nach oben gäbe.

Dieser Verdacht wird auch wieder genährt durch einen Passus im Bericht über die schon zweimal zitierte Tagung am 1. Februar:

>>> "Die Europäischen Aktionstage am 2./3. April müssen also in eine längerfristige Politik der Stärkung sozialer Bündnisse eingeordnet werden ... Anschauungsmaterial, wie das geschehen könnte, lieferten Franz Segbers (Bündnis soziale Gerechtigkeit in Hessen) und Daniel Kreutz (BUENDNIS SOZIALE BEWEGUNG NRW). In beiden Fällen handelt es sich um eine Bündelung unterschiedlicher Initiativen (29 Gruppen in Hessen, 27 landesweite Trägerorganisationen UND 19 OERTLICHE INITIATIVEN in NRW)." -(Hervorhebungen durch mich) <<<

In dem Zusammenhang frage ich mich auch, wo das BsB NRW bei der Mobilisierung zur 1.November-Demo war und warum es sich nicht in die bundesweite Frankfurter Aktionskonferenz am 17./18. Januar eingebracht hat. Wie steht es zu dem aus der November-Demo erwachsenen Buendnis "Alle gemeinsam gegen Sozialkahlschlag"?

 

Sturmi Siebers, 09.02.04