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Kommentar zur Versammlungsbestätigung

Rund 24 Stunden nach dem Kooperationsgespräch bei der Polizei, haben wir die "Versammlungsbestätigung" erhalten. Man hat sich Mühe gegeben, 16 Seiten Text und ein Lageplan.

Wir haben uns die Mühe gespart (und auch das sowieso nicht vorhandene Geld) und sind nicht gerichtlich gegen diese Auflagen vorgegangen. Betrachten wir unseren Versuch eine Mahnwache durchzuführen als Anschauungsbeispiel zum Zustand dieser Gesellschaft und einer ihrer Institutionen.

Deshalb im Folgenden einige Sätze zu dieser Versammlungsbestätigung.

Die räumliche Nähe

"Der von Ihnen angemeldete Standort auf dem Schildplatz birgt aufgrund
der unmittelbaren Nähe zur rechtsextremistischen Versammlung und deren gewaltbereitem Potential sowohl einsatztaktische Gefahren für den Versammlungsverlauf der angemeldeten Versammlungen als auch Gefahren für die Gesundheit Ihrer Versammlungsteilnehmer sowie der eingesetzten Polizeivollzugsbeamten." (Seite 4)

Zur unmittelbaren Nähe schaue man erst mal auf den Lageplan. Wir haben den Lageplan um die Bereiche ergänzt, in denen Parkverbotsschilder angebracht wurden (rote Flächen). Anhand der Parkverbote ging offenbar auch die Polizei nicht davon aus, dass die Nazikundgebung den gesamten Schildplatz belegt (im Lageplan Braun: die Kundgebungszone der Nazis).

Bei prognostizierten 300 Nazis ist da eigentlich noch eine Menge Platz. Wo ist das Problem dort Nazis und Gegendemonstrantinnen auseinander zu halten? Wie wäre es zB mit Absperrgittern? Oder überschätzen wir die Fähigkeiten der Polizei? Dann wäre es an der Zeit sich ernsthaft Sorgen zu machen.

Die vielen Gegendemonstranten

Aber die Polizei sieht ja noch ein weiteres Sicherheitsproblem - der Gegenprotest, der "teilweise von potentiell gewaltbereitem und gewaltaffinem linksextremistischen Spektrum unterstützt wird" (Seite 4). Beispielhaft werden 2 Demos aus dem letzten Jahr genannt. Die linksextremen Gewalttaten: 1 Flaschen- sowie 2 Steinwürfe auf Polizisten, wiederholte Durchbruchsversuche, Widerstandhandlungen (was auch immer damit gemeint ist), Sitzblockaden, Vermummung, ein Gegendemonstrant verletzt einen Nazi.

Das liest sich nicht schön. Und wir wünschen keine Gewalt. Weder bei uns vor der Tür noch sonst wo auf der Welt. Aber mal ehrlich: Was richtet ein Stein oder eine Flasche bei einer behelmten und gepanzerten Demopolizistin aus? Sind diese einzelnen Taten aus dem letzten Jahr wirklich so schwerwiegend, dass wir deshalb unsere Mahnwache nicht durchführen konnten? Und Sitzblockaden. Stellt man sich friedlichen Protest bzw. Widerstand nicht genau so vor?

Die Polizei Dortmund offenbar nicht: "Die polizeilichen Erkenntnisse zu einem voraussichtlich gewalttätigen Aufeinandertreffen beider Versammlungen mangels Trennung führen zu der Bewertung, dass es zu einem Pendeln zwischen den Versammlungsorten am Kreisverkehr der Gildenstraße (BlockaDo) und Ihrer Versammlung kommen wird. Dies würde ein Überqueren und Blockieren der Strecke Rechts ermöglichen". 
Aha. Eine Sitzblockade ist also ein gewalttätiges Aufeinandertreffen.

Die voraussichtliche Teilnehmerzahl

"Ihr Vortrag zur voraussichtlichen Teilnehmerzahl von lediglich 20 Personen erscheint daher aus polizeilicher Sicht nicht realistisch und nicht glaubhaft. Sie hatten im Telefonat und zunächst auch im Kooperationsgespräch versucht, den Eindruck zu erwecken, als würden nur Mitglieder des Vereins „anders besser leben e.V.“ zu der Versammlung kommen." (Seite 6,7)

Die Anmelderin hat nicht versucht irgendeinen "Eindruck zu erwecken". Wir haben eine Mahnwache geplant, so wie wir auch andere Veranstaltungen planen. Nach 13 Jahren haben wir eine gewisse Erfahrung wie viele Menschen üblicherweise zu unseren Veranstaltungen kommen. Für uns sind 20 Teilnehmer bei einer Veranstaltung vollkommen normal. Das die Polizei dies anders einschätzt, können wir ja nicht ahnen. Wir hatten zunächst auch nicht im Blick, dass unsere Mahnwache für die Teilnehmerinnen anderer Aktionen interessant sein könnte. Wir sind ein Kulturcafé und nicht irgendeine Politgruppe.

"Des Weiteren ist erkennbar, dass Sie aktuell mit Hilfe der im Internet veröffentlichten Werbung selber versuchen, eine deutliche höhere Teilnehmerzahl als die von Ihnen angegebenen 20 zu erreichen. Diese Werbung stand auf Ihrer Internetseite bereits am 22.05.2019. Kurz nach dem Kooperationsgespräch änderten sie die Werbung mit dem Zusatz „angemeldet aber leider nicht genehmigt:“. (Seite 8)

Wir bewerben unsere Veranstaltungen immer. Sowohl gedruckt und wenn es kurzfristig ist eben elektronisch. Trotzdem haben wir selten mehr als 20 Teilnehmerinnen. Und dass wir über Änderungen informieren ist doch auch klar.

Wenn denn nach Meinung der Polizei 1000 statt der Anfangs gedachten 20 Personen gekommen wären, hätte uns das gefreut. Die Polizei sieht das anders. Die sieht "teilweise gewaltaffine und gewaltbereite Versammlungsteilnehmer aus der linken Szene" (Seite 9) die wir mobilisieren würden.

"Hierfür spricht zunächst, dass Ihr Café einen hohen Bekanntheitsgrad in der linken Szene genießt."
Unser Cafe besteht seit 13 Jahren. So viele nichtkommerzielle Orte in Dortmund gibt es ja leider nicht. Da ist es doch kein Wunder dass wir einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben.

Nähe zu Blockado

"Darüber hinaus erschienen Sie zum Kooperationsgespräch zusammen mit dem hier polizeilich seit vielen Jahren bekannten Linksaktivisten und Versammlungsanmelder Helmut Manz."

Hätte die Anmelderin alleine kommen sollen? Zum ersten Kooperationsgespräch nach einer sehr kurzfristigen und überraschenden Versammlungsanmeldung. Um dann 6 Beamten gegenüber zu sitzen? Selbstverständlich ist das Cafe Aufbruch mit anderen Personen und Gruppen in der Stadt vernetzt. Da ist es doch wohl naheliegend einen Stadtbekannten Demoanmelder um Begleitung zu bitten.

"Herr Manz trat im Kooperationsgespräch als Wortführer und Organisator Ihrer Versammlung auf und traf sämtliche Entscheidungen für Ihre Versammlung."

Herr Manz hat im Gegensatz zur Anmelderin schon etliche dieser Gespräche absolviert. Die Anmelderin hat erst mal nur gestaunt. Und zu Entscheiden war in diesem Gespräch doch sowieso nichts. Es wurden die Standpunkte ausgetauscht. Die Polizei sagt, zu der Zeit an dem Ort geht nicht. Zeit und Ort waren für das Cafe Aufbruch jedoch von vorne herein nicht verhandelbar.

"Nach der im Kooperationsgespräch erkennbaren Rollenverteilung gehe ich daher davon aus, dass Herrn Manz die organisatorische Verantwortung für die Versammlung obliegt, während Sie als Inhaberin des Cafés die Örtlichkeit zur Verfügung stellen."

Selbstverständlich sind immer die Männer die Verantwortlichen. Kennt man nur das eigene kleine Weltbild, kann das schon mal die Wahrnehmung ein wenig vernebeln. So wird dann aus der Anmelderin, einem Vereinsmitglied des anders besser leben e.V. (der das Cafe Aufbruch ehrenamtlich betreibt), mal eben eine Inhaberin. So viel zu erkennbaren Rollen.

Die dortmunder Polizei bleibt jedenfalls weiterhin in der Rolle die sie schon viel zu lange einnimmt: Nazis und ihren Demos den Weg frei machen. Dortmund überrascht nicht.

Fazit

Die dortmunder Polizei hat wieder einmal darüber bestimmt wer, wann, wo und wie das sog. Recht auf Versammlungsfreiheit ausüben darf. Versucht man mal den Standpunkt der Polizei einzunehmen, ist es sogar einleuchtend, dass wir zu der gewünschten Zeit vor unserem Café keine Mahnwache durchführen durften. Unsere Mahnwache hätte die Planung der Polizei sicherlich ziemlich durcheinandergebracht.

Oberste Priorität hatte die Durchsetzung der Nazidemo durch Hörde. Die diversen angemeldeten Protestveranstaltungen mussten in sicherem Abstand zur Naziveranstaltung ebenfalls unter Kontrolle gehalten werden. Das hat funktioniert. Außer einen kleinen, schnell abgeräumten Blockade am Anfang der Naziroute konnten die Nazis ihre Demonstration ungestört durchführen. Auch die organisierten Gegendemonstranten konnten ihre Versammlungen (so weit sie von der Polizei erlaubt waren) durchführen.

Die Polizei hat also dafür gesorgt, dass möglichst viele Menschen Versammlungen durchführen konnten. Dafür wurden weder Kosten noch Mühen gescheut. Was dabei aber vollkommen auf der Strecke blieb, waren zigtausende die damit überhaupt nichts zu tun haben. Busse und U-Bahnen fuhren nicht, sogar der Hauptbahnhof war teilweise gesperrt. Sogar Fernreisende wurden von der Bahn vor Verzögerungen wegen dieser Nazidemo gewarnt. Anwohner mussten sich ausweisen (teils mehrfach) bevor sie vom Samstagseinkauf wieder zurück nach Hause konnten. Haben diese Menschen keine Rechte? Ist das Recht auf Versammlungfreiheit von noch nicht einmal 200 Nazis wichtiger, als ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr an einem zentralen Knotenpunkt wie dem Hörder Bahnhof?

Wenn die Polizei uns vorschreiben kann an welchem Ort und zu welchem Zeitpunkt wir eine Mahnwache durchführen dürfen, wieso macht sie das nicht bei den Nazis? Allein die Behinderungen des öffentlichen Nahverkehrs sind doch wohl Grund genug so eine Nazidemo an einen anderen Ort zu verlegen.

 

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